28.11.2007 / 10:16 / Volker Jahr liest: Reise um die Welt (Georg Forster)

Kaliko is like so (0-0)


Er hier hätte beim Bamberger Kaliko keine Chance, einerlei ob Grifftöter oder Griffhalter
"Bamberger Kaliko Fadenheftung, sagt mir mein Kennerblick", schrieb ich vergangenen Sonntag, Auge in Auge mit dem von Jan Schumacher vom Eichborn-Verlag gut bewachten hochpreisigen Forsterband, aber das war natürlich gelogen. In Wirklichkeit habe ich keinen blassen Schimmer, was Bamberger Kaliko ist, sondern diese Information dem viel versprechenden Verlagsprospekt zur Luxusausstattung des Buches entnommen:

Folioformat, gebunden in zweifarbiges Duo-Leinen der Bamberger Kaliko Fadenheftung, gedruckt auf holz- und säurefreiem Bücherpapier, Lesebändchen, durchgehend fünffarbig, ca. 80 grossformatige Abbildungen, Klapptafeln, Karten – im Halbschuber

Fadenheftung sagt mir da schon eher etwas, als Jugendlicher spielte ich im evangelischen Posaunenchor. Fadengeheftete Notenbücher waren damals den einfach geklebten eindeutig vorzuziehen, da bei hoher Beanspruchung deutlich länger haltbar, aber eben auch deutlich teurer. Und Bamberg ist auch klar, diese Stadt da unten halt.

Bevor jetzt aber alle Leserinnen und Leser der Lesemaschine Kaliko gugeln, kann ich das Ergebnis, das Wikipedia liefert, genauso gut gleich hier reinstellen:

Kaliko ist ein Gewebe, das vor allem in der Buchbinderei Verwendung findet. Es handelt sich um ein durchappretiertes Baumwollgewebe, das glatt kalandert oder gaufriert und teilweise mit einer Griffschutzausrüstung versehen ist.

Unterscheidet nicht Dr. Heinz Brüll, so schiesst es mir durch den Kopf, im nur noch antiquarisch erhältlichen Standardwerk "Greifvögel und Eulen Mitteleuropas", das uns im Biologieunterricht in den Achtzigern als auswendig zu lernende Grundlagenliteratur diente, die heimischen Raubvogelarten in "Grifftöter mit Reisshakenschneideschnabel" und "Griffhalter mit Reisshakenbeissschnabel"? Und wäre nicht beider Beutereflex zum Scheitern verurteilt, verfügte das potenzielle Opfer nur über ausreichend stabile Abwehreinrichtungen? Mit der von Kaliko augenscheinlich gebotenen Griffschutzausrüstung jedenfalls kann also zumindest raubvogeltechnisch mit dem Forsterband, wenn ich ihn denn dereinst besitze, schon mal nichts schief gehen.

Der Titel dieses Abschnitts ist übrigens ein Wortspiel, das auf die unfassbare CD "Calypso is like so" an- äh, -spielt, die Robert Mitchum aufgenommen hat, ja, DER Robert Mitchum, Anspieltipp "What is this generation coming to?".

Schöne Wörter: Kalandern, gaufrieren, durchappretieren


27.11.2007 / 19:14 / Michaela Gruber liest: Über die Liebe (Stendhal)

Schöne Haut (1-38)

Die diversen Vorworte sind geschafft, fast vierzig Seiten gehen in meiner Ausgabe dafür drauf, ein Wust von Informationen, Geschichten und Meinungen. Manchmal habe ich für einen kurzen Moment das Gefühl, als könnte ich den Dichter durchs Dickicht hindurch sehen, er sieht aus wie Harvey Keitel, und ein wenig auch wie Mister Christian von der Bounty, das muss an der Uniform liegen.

Walter Hoyer schreibt, dass es nur eine wirkliche Leidenschaft in Stendhals Leben gegeben hat, Métilde Dombrowska aus Mailand. Die Ms und Ls, die Chigis und Nellas aus dem Buch, sind Pseudonyme für Métilde, während er selbst sich hinter Lisio Visconti, Salviati oder Delfante verbirgt. Er schreibt also über sich und seine eigene Liebe. Die von der Dame Dombrowska nicht erwidert wurde, worüber er sehr verzweifelt gewesen ist. Soweit die prickelnden Enthüllungen über den Autor, aber was offenbaren die schon, ausser seiner Bereitwilligkeit, sich mit komischen Fantasienamen über sich selbst lustig zu machen.

Noch mehr als den Verdacht, Autobiografisches verarbeitet zu haben, muss er den Vorwurf der Irrationalität gefürchtet haben, der bei einem Thema wie "Liebe" schon mal auftauchen kann. Im Vorwort zur zweiten Ausgabe 1842, nennt er sein Buch eine "Physiologie der Liebe", was dem Ganzen einen schicken wissenschaftlichen Anstrich gibt. Zu dieser Zeit war es bereits seit zwanzig Jahren veröffentlicht, und er wusste, mit welchen Reaktionen er rechnen konnte. Aus "Furcht vor Lächerlichkeit" werde diese "Leidenschaft" besser "sorglich verborgen gehalten", und es liesse sich darüber am ehesten "wie über eine Krankheit sprechen".

Aber warum überhaupt darüber sprechen, mal angenommen, es geht nicht nur darum, die eigene narzisstische Kränkung therapeutisch zu verarbeiten?

Tatsächlich beginnt erst nach einem halben Jahrhundert voller Umwälzungen, (...) nämlich erst nach fünfmaligen vollständigem Wechsel in der Verfassung und der Zielsetzung unserer Regierungen, die Revolution auch in unsere Gesittungen einzudringen. Die Liebe ...


Wir befinden uns in bewegten Zeiten. Im Zeitalter der absolutistischen Könige geboren, war Stendhal sechs, als die französische Revolution begann, erlebte den Aufstieg Frankreichs unter Napoleon zur Grande Nation sowie dessen Niedergang und Verbannung. Das ist Stoff für eine Menge Kostümfilme. Sein Buch hätte man vielleicht auch "Die Liebe nach der Revolution" oder einfach "Liebe heute" nennen können. Ich nehme mal an, dass es ihm nicht nur um die Beschreibung seines privaten Gefühles ging.

Bei einem Schriftsteller sind biografische Tatsachen letztlich egal, was zählt, sind seine Worte. Dieser ist schon seit hundertfünfundsechzig Jahren tot, und ich bin mir nicht immer ganz sicher, ob ich ihn noch richtig verstehe. In der Einleitung zur ersten Ausgabe 1822 mokiert sich Stendhal über seine Mitbürger, die in der Literatur das "wahrhaft Französische" suchen, sowie über Ausdrücke, wie "echt spanische Treue" und "echt englische Tugenden", die man heute treffend Vorurteile nennen würde. Einen Absatz später dann das:

In Konstantinopel wie bei allen barbarischen Völkern ist diese blinde, engherzige Voreingenommenheit für das Vaterland eine im Blute steckende Wildheit. Bei gebildeten Völkern ist sie eine schädliche, unglückselige, unverträgliche und bei der geringsten Kränkung des äussersten bereite Eitelkeit.


Klingt das jetzt nur für mich unlogisch? Abgesehen davon, dass "barbarische" gegenüber "gebildeten" Völkern doch eine Übertreibung sein muss. Ich habe allerdings keine Ahnung, wie weit entfernt sich Konstantinopel damals von Paris aus angefühlt hat. Erst nach ein paar Mal Lesen taucht die Frage auf, ob das, im Zusammenhang mit dem zuvor Geschriebenen, Ironie sein könnte. Kein Räuspern oder Augenzwinkern deutet darauf hin, die Zeilen funkeln im Dunkeln.

38 von 387 Seiten

Michaela Gruber / Dauerhafter Link / Buch kaufen und selber lesen


26.11.2007 / 20:57 / Kathrin Passig liest: Alles (von allen)

Fred Adams und Greg Laughlin: The Five Ages of the Universe (vii-xxxiii)

2006 in einem britischen Pub in London, Ontario. London, Ontario hat mit London, UK so viel zu tun wie ein Trabant mit dem Mond, aber britische Pubs sehen überall auf der Welt exakt gleich aus. Sie kommen aus grossen Spritzgussfabriken in Taiwan und werden dann nur noch in die genormten Einbauslots in den Gebäuden gerollt. Wir sitzen daher auf plüschigen Stühlen vor Fake-Kaminfeuern, trinken Bier ohne Kohlensäure, und weil eine Doktorandin anwesend ist, die heute ihren ersten Konferenzvortrag gehalten hat, sprechen wir darüber, dass man sich im Leben eigentlich immer wie ein Betrüger fühlt. Wir füllen unsere Berufe mehr schlecht als recht gerade so aus, dass niemand merkt, dass wir eigentlich gar keine Autoren, Astronomen, Ärzte oder Anwälte sind. Mir gegenüber sitzt ein Mann im mittleren Alter, der bisher noch nicht viel gesagt hat, vielleicht ist er schüchtern. Deshalb frage ich ihn: "What about you, do you feel like an impostor?". Er denkt ein bisschen nach und antwortet dann, nein, eigentlich nicht. Später erfahre ich, dass es sich um Fred Adams handelt, einen offenbar allen ausser mir bekannten Astrophysiker.

Das heisst natürlich gar nichts, sicher kann man auch als Nobelpreisträger immer noch nachts wach liegen und darüber nachdenken, wann die anderen wohl dahinterkommen, dass man in Wirklichkeit keine Ahnung hat. Interessant wäre, ob die immer wieder in der Presse auftauchenden Ärzte mit gefälschten Zeugnissen nie unter diesem Problem zu leiden haben und sich ganztags wie authentische, kompetente Betrüger fühlen. Falls unter den Lesern dieses Beitrags betrügerische Ärzte sein sollten, würde ich mich über eine kurze Stellungnahme freuen.

"The Five Ages of the Universe" ist laut Vorwort "the most complete and detailed treatment of the future to date", und mit "future" meinen die Autoren hier nicht so einen Kinderkram wie 2036, sondern die nächsten 10149 Jahre. Da muss man sich ein bisschen absichern, deshalb folgt ein Satz, der eigentlich in keinem Vorwort fehlen sollte:

"Almost everything we discuss in this book rests on an additional article of faith. We assume that the laws of physics will continue to hold and will not change with time, at least not until after the time line of this chronicle has run out."

Auf den Inhalt der Einleitung möchte ich nicht näher eingehen. Das Buch ist auch für Laien problemlos verständlich, enthält aber neben schönen und poetischen Wörtern eine Vielzahl von Fakten, die man nicht in seinem Kopf aufbewahren sollte, wenn man später im Leben noch ungestörte Drogenerlebnisse haben möchte. Nur so viel: Schwarze Löcher verdunsten! Es gibt nur 1023 Sandkörner auf der Welt, 1022 Sterne und 1078 Protonen im Universum, aber das Buch deckt einen Zeitraum von 10100 Jahren ab! Kurz: "The number of years between here and eternity is truly immense." Das sind widerwärtige Zumutungen. Schweigen wir davon.

Prokrastinationsbuch: 13 von 200 Seiten geschrieben.


26.11.2007 / 12:23 / André Fromme liest: Esra (Maxim Biller)

Was der Biller sah (29-40)


Diese Mofas aus griechischer Produktion werden in den Dschungeln Madagaskars noch häufig zur Lemurenjagd eingesetzt.
Zuletzt hatte ich ja Angst vor dem weiteren Fortschreiten der Metaebenen in »Esra«.

Statt dessen macht sich jetzt, nach dem Realitätsrückkopplungsgewitter der ersten 28 Seiten, Entspannung breit. Es geht nämlich zu guten Teilen nicht mehr um des Autors Selbstrechtfertigung, sondern zum Beispiel um Esras Ex-Mann. Der ist mir egal, war aber wohl früher nicht nur Esras Mann, sondern auch ein Kumpel des Ich-Erzählers. Was mich ebenfalls ausgesprochen kalt lässt.
Ganz im Gegensatz zum Ich-Erzähler: der ist mir aktuell hübsch unsympathisch. Tut die ganze Zeit so abgeklärt, neutral und wasnicht – und jammert eigentlich nur ein bisschen gefühlig vor sich hin. Vermutlich so wie ich nach meiner letzten Trennung, aber ich bin ja auch nicht auf die Idee gekommen, dass es toll wäre, das aufzuschreiben und dann auch noch zu veröffentlichen. Ich darf also meckern, denn ich hab's in ähnlicher Situation klar besser gemacht. Hätte der Ich-Erzähler also einfach mal mich fragen sollen, das hätte dem Autor viel Ärger erspart.

Da kann man jetzt etwas herummäkeln, dass da ja wohl der pure Neid spricht. Dem kann ich aber nur lässig entgegnen: »Zum Glück!« Man muss auch seine eigene Kleinlichkeit und Missgunst mal ungehemmt rauslassen, so viel habe ich bei diesem Buch immerhin schon gelernt.

Unlängst wurde bei ebay ein »Esra«-Exemplar aus der Erstauflage für absurde 334,-€ (zzgl. 1,-€ Porto für unversicherten Versand) verkauft. Dafür hätte man sich auch 4,2 Forster-Bände »Reise um die Welt. Illustriert von eigener Hand.« kaufen können.

Bei der Lektüre gehört und für nicht so empfehlenswert befunden:
• Anhaltend wiederkehrender Zweitaktmotorsound vom Nachbarshaus.

Bei der Lektüre festgestellt:
Oliver Geissen guckt auch immer mehr wie Hugh Grant und August Diehl sieht in einigen Einstellungen fast so aus wie ich in spiegelverkehrt, besonders um den Mund herum. Müsste man mal drüber nachdenken beizeiten.

40 von 213 Seiten

André Fromme / Dauerhafter Link / Kommentare (3) / Buch kaufen und selber lesen


26.11.2007 / 03:02 / Ruben Schneider liest: Meditationen (Descartes)

Unendlichkeitsrausch (103-121)


Road to potential infinity. (Bild: Matt Fetterley, Lizenz.)
Vom Bombenteppich der kurzatmigen Weltgeschichte nun wieder zurück in den luziden Metaräumen der Philosophie, Monsieur Descartes sitzt immer noch vor seinem Kamin, die Stirn mit den tiefen Runzeln angestrengten Denkens gefurcht, in einer mächtigen kognitiven Anstrengung hat er die Existenz der Aussenwelt und seines Körpers in Zweifel gezogen und alles Sein runtergezweifelt auf einen sicheren Punkt: Das eigene Ich existiert absolut sicher, solange ich denke. Wie kommt man jetzt von diesem Tiefengrund wieder weg und auf sicherem Wege rauf in die Welt, ohne dass einem irgendwelche zweifelhaften, zwielichtigen Annahmen die Suppe versauen?

Auf dem Tiefengrund meines Ich habe ich nur mein Denken. Kein äusseres Faktum kann mir helfen. Ich muss mir also mein Denken allein ansehen. Es enthält auf jedenfall Gedankeninhalte. Aber woher kommen diese Inhalte? Die empiristische Annahme, dass sie von aussen in mein Denken reinkommen, fällt flach, da die Aussenwelt als nichtexistent angenommen ist. Also müssten alle Gedankeninhalte aus mir selbst kommen, autarke Eigenproduktion, ein Traum, Rumspinnerei in luftleerem Raum. Wenn es jetzt aber einen Inhalt gibt, der meine Denkfähigkeiten dermassen übersteigt, dass er keinesfalls von mir selbst produziert sein kann, dann muss er von etwas ausserhalb meiner kommen. Dann wäre meine Isolation beendet, mein Denken wäre nicht mehr alles, was es gibt.

Nehmen wir mal irgendwelche unendlichen Mengen. Die Menge der natürlichen Zahlen beispielsweise, sowas habe ich als Gedanken im Kopf. Kann ich mir diese Menge nur ausgedacht haben? Selbst wenn ich unendlich lang leben sollte und jeden Tag nichts anderes mache als zu zählen, eine natürliche Zahl nach der anderen, Klötzchen für Klötzchen, und angenommen, ich würde dabei niemals wahnsinnig werden, ich käme dennoch nie zur ganzen Menge der natürlichen Zahlen. Sie wäre nie fertig. Jeden verdammten Tag meines grausam endlosen Lebens hätte ich nur eine beschränkte Anzahl von Zahlen durchgeleiert. Wenn natürliche Zahlen nur mental events sind und nicht ausserhalb meines Kopfes existieren, dann gibt es nur endlich viele von ihnen. Die Menge der natürlichen Zahlen wäre dann zwar potenziell unbeschränkt, aber faktisch bloss endlich – ihre Grenze wird nur immer weiter hinausgeschoben. Die Scholastik und die moderne Mathematik sprechen in dem Falle von "potenzieller Unendlichkeit" (indefinitum), im Gegensatz zu "aktualer Unendlichkeit" (infinitum = fertig existierende Unendlichkeit, in der alles als Ganzes zusammen ist). In der Mathematik gibt es daher die Finitisten, die sagen, es gibt bloss endlich viele mathematische Objekte in Form von Gedanken und jede Unendlichkeit ist nur potenziell, wohingegen die Platonisten sagen: Mathematische Objekte existieren ausserhalb unseres Kopfes und es gibt derer aktual unendlich viele. Sie wären aber stets nur unter einer bestimmten Hinsicht aktual unendlich, unter anderen Hinsichten aber endlich (z.B. unendlich in einer Dimension, in einer anderen nicht).1 Das kann man jetzt mit allen Formen von unendlichen Klassen durchspielen, mit überabzählbar-unendlichen Kontinua, unendlichen Kardinalzahlen, transfiniten Klassen, etc.

Potenzielle Unendlichkeit ist eigentlich endlich und immer durch etwas Grösseres überbietbar. Die Ursache potenziell unendlicher Gedanken kann mein endliches Denken alleine sein, dafür brauche ich keine äussere Ursache. Mathematische Unendlichkeiten kann ich mir nur zusammengesponnen haben.2 Was ist aber jetzt mit einem Gedankeninhalt, der per se unüberbietbare aktuale Unendlichkeit und Unendlichkeit in jeder Hinsicht besagt? Das ist der Gottesgedanke (das "Absolut-Unendliche", wie ihn der Mathematiker Georg Cantor nannte). 'Gott' bedeutet die Totalität aller Unendlichkeiten, die alle abstrakten, möglichen und realen Universen in eminenter Weise in sich enthält, er ist die Vollkommenheit aller Vollkommenheit, pure Perfektion, absolute Aufgipfelung aller positiven Sachgehalte, das transzendent-unendliche Sein, das absolut Unüberbietbare, das Hen.3 Woher stammt dieser Gedankeninhalt letztendlich? Kann er, wie Feuerbach sagte, eine blosse Projektion unseres im Vergleich dazu verschwindend kleinen, beschränkten Denkens sein? Für Descartes ist diese Annahme absurd. Die Gottesidee muss ihre Ursache in einer extramentalen Realität haben, die dieselbe Seinshöhe hat wie der Gedankeninhalt.

Vom Fleckenteppich der Historie zum transfiniten Gedankenknaller. Hier ist man fast im Herzen des cartesischen Gottesbeweises. Aber nur fast. Ich glaube, dahinter steckt nochmal ein Tiefenargument, das sich im Text nur verstreut findet, aber m.E. die eigentliche Antwort auf den universalen Zweifel der 1. Meditation ist. Doch dazu nächstes mal, sonst geht dieser Beitrag noch ad indefinitum.

1) Z.B. ein Abschnitt Nm,n = {k ε N: m≤k≤n} der natürlichen Zahlen ist endlich, während der gleiche Abschnitt unter reellen Zahlen unendlich wäre, da sind dann noch überabzählbar-unendlich viele Zahlen reingestopft. Man kann unendliche Zahlenmengen einander aufsteigend einverleiben, die natürlichen Zahlen N in die rationalen Q, diese in die reellen R, und R in die komplexen C = R2, C in die Quaternionenalgebra C2 = R4 und die in die Cayleyschen Zahlen R8.

2) Auch eventuelle physikalische Unendlichkeiten wie die von Raum und Zeit kann ich mir zusammengesponnen haben. Empirische Erfahrung von Raum und Zeit ist stets nur endlich. Es gibt keine Sinneserfahrung vom Unendlichen.

3) Also nicht einfach nur die Allklasse, die quasi nur ein Haufen aller Dinge ist, dem aber die perfectio pura der vollkommenen Einheit abgeht.

121 von 229 Seiten

Ruben Schneider / Dauerhafter Link / Kommentare (1) / Buch kaufen und selber lesen


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