22.02.2008 / 14:41 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Hasensterben (782-815)


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Seit zwei Tagen Sturm. Auf dem Parkplatz weht der Wind in Böen durch die letzten Reste des Kaninchens, das im November dort starb. Von dem einst stattlichen Kadaver bleibt nur noch ein Fellfleck zurück, der im Sturm dahinschmilzt. Der Zerfall des Kaninchens hält Schritt mit meinem Lesetempo, hundert Seiten Penrose pro Verwesungshalbwertszeit. Erst wenn das Kaninchen vollständig im Himmel ist, werde ich die Wirklichkeit verstehen.

In der Welt von Roger Penrose sterben übrigens keine Kaninchen, sondern Katzen, und zwar einen reibungslos schnellen Tod (oder auch nicht) im Gedankenexperiment. Schrödingers Katzenparadoxon ist ein gutes Beispiel für ein, wie ich es ab jetzt nenne, V05-Problem. Seit Tagen denke ich darüber nach, die kanonischen Klassen des Verstehens um eine zweite Dimension zu erweitern. Immer wieder gerate ich in Situationen, in denen ich zunächst versuche, mit einer Dampfwalze ein totes Kaninchen zu überfahren, weil ich glaube, es handelt sich um V5, bevor mir aufällt, dass ich es in Wahrheit mit V0 zu tun habe. Folglich lege ich die Dampfwalze beiseite, nur um dann wieder zu erkennen, dass V0 auf einer höheren Ebene auch V5 sein kann, insgesamt also V05. Das richtige Denken verlangt nach einer sanften, mehrstöckigen Dampfwalze. V05-Probleme sind der Teufel in trivialer Verkleidung.


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Woher kommen die seltsamen Sprünge in der Quantenwelt? Warum verhält sich die Welt radikal anders, wenn wir etwas messen? Und warum gibt es keine Quantenphänomene in makroskopischen Objekten? Mit anderen Worten: Warum ist die Katze nie gleichzeitig tot und lebendig? Und letztlich: Was ist real, die Wellenfunktion, die wir nie beobachten können, oder die Katze oder etwas ganz anderes? Verändert sich mit der Messung wirklich die Realität oder nur das Wissen des Beobachters? Oder sein Bewusstsein? Oder nur eine von vielen Kopien seines Bewusstseins?

Die einen sagen so, die anderen so. Wieder andere, so wie Hawking, kümmern sich gar nicht um Realität und glauben, dass sie das nichts angeht. Penrose natürlich denkt weder das eine noch das andere noch das dritte, sondern glaubt an eine bessere Zukunft in Kapitel 30.

Bescheuerte Begriffe für den aktiven Wortschatz: FAPP (for all practical purposes), Omnium (ultimative Weltwellenfunktion, Überlagerung aller möglichen Welten, kann man weder anfassen noch essen)

815 von 1049 Seiten

Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (3) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von Andreas:

Lohnt sich das Schmökern in "The Road to Reality" eigentlich auch, wenn man "The Emperor's New Mind" schon gelesen hat? Ist "Road" einfach eine ausgebaute Version von "Emperor", oder viel umfassender?

23.02.2008 / 01:10

Kommentar #2 von Aleks:

Es ist vor allem ein komplett anderes Buch, sieht man ja schon am Titel. Einen Hinweis koennte auch die Anzahl der Seiten geben: 1100 vs. 640. Noch ein Indiz: der Klappentext. In Emperor geht es offenbar um Kuenstliche Intelligenz und das Bewusstsein, waehrend es in Road um etwas ganz anderes geht. Alles zusammen vermute ich stark, es handelt sich um zwei unterschiedliche Buecher, schon weil sie anders heissen.

23.02.2008 / 04:48

Kommentar #3 von Andreas:

Na ja so blöd bin ich nun auch wieder nicht, dass ich nicht imstande gewesen wäre zu realisieren, dass es sich um zwei verschiedene Elaborate handelt. Ich hatte nach der Lektüre von Emperor irgendwann Werbung für Road gesehen und mich dann gefragt, ohne die Rezensionen im Detail zu lesen, ob es in Road wirklich um etwas ganz anderes geht als in Emperor oder eben nicht. Offenbar ist die Antwort also ja, aber so abstrus ist die Frage nicht, Penrose wäre nicht der erste (und erst recht nicht der erste Wissenschaftler), der dieselbe Kuh zweimal melken würde. Z.B. erkennt man in "Metamagicum" viele Ideen aus "Gödel, Escher, Bach" wieder. Was aber auch wieder nicht heisst, dass es sich nicht lohnen würde, beides zu lesen, im Gegenteil.

26.02.2008 / 01:16