17.11.2007 / 21:23 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Hyper ist auch nicht besser als super (153-178)


Road to reality (Foto, Lizenz)
Mittlerweile ist zumindest eines klar geworden, nämlich, dass ich keinerlei Absichten hege, für Penrose die Drecksarbeit zu erledigen und alles nochmal, und zwar besser, zu erklären. Stattdessen verstehe ich mich eher als derjenige, der mit verzerrtem Gesicht mitrollt und auf dem Weg zum Gipfel (Seite 1048) den gepeinigten Kreaturen Quäl dich, du Sau ins Ohr brüllt, natürlich in irgendeiner feingeistigen Ausdrucksweise.

An dieser Stelle seien die kanonischen Klassen des Verstehens axiomatisch festgehalten, wie ich sie mir, naja, ausgedacht habe. (Wer sich mit Axiomen mehr Mühe macht, als sie sich auszudenken, ist selber schuld.) Phänomene wie das Herunterfallen von Dingen gehören zur Verstehensklasse I: Wir haben eine gewisse, gut begründete Ahnung, warum das so ist (Newton), aber das tiefe Geheimnis dahinter (Einstein, Higgs) ist uns ein grosses Rätsel. Verstehensklasse I ist nicht zu verwechseln mit Verstehensklasse 0, die nur Ereignisse enthält, die wirklich grundlegend und abschliessend erklärt werden können, z.B. warum die Ehefrau ausgezogen ist (Langeweile, Ende der Diskussion). Verstehensklasse II wiederum gestattet eine Art figuratives Kapieren, ohne jetzt genau hinschreiben zu können, wie sich das in mathematischer Form ausdrückt, Beispiel: von einer grossen Welle gegen einen grossen Felsen geworfen werden. Wer herausfinden will, wie man in die darüber stehenden Verstehensklassen III, IV und V gelangt, muss Penrose lesen. Kurz zusammengefasst in Abfolge der bisherigen Kapitel eins bis acht: I, II, I, II, IV, II, V, IV, wobei sich das IV am Ende schon wieder wie I anfühlt. In tiefer Finsternis sieht jedes Glühwürmchen aus wie eine Supernova.

Kapitel 9 beginnt bequem in Klasse III. Mit Fourierserien kann man jede noch so bescheuerte Funktion in vernünftiger Form darstellen, auch wenn sie zum Beispiel aussieht wie die Mondoberfläche. "Vernünftig" muss man hier so verstehen, dass man einfach solange richtig skalierte Sinusse und Cosinusse zusammenbaut, bis alle Krater exakt passen. Dafür braucht man dann eben in den meisten Fällen unendlich viele Sinusse, aber, hey, WTF. Kaum ist man an diesem Punkt angekommen, tauchen die Hyperfunktionen auf, und es wird Nacht (Klasse V). Ich sehe wohl die Worte, die da stehen, aber mehr auch nicht. So ähnlich muss es sich anfühlen, wenn man mit seiner Suaheli-Freundin über die Erziehung des Hundes diskutiert – es ist ganz sicher ein sehr wichtiges und bedeutsames Thema, aber man sieht insgesamt eher blöde dabei aus.

We have come full circle. So steht es am Anfang des letzten Absatzes. Angeblich hat vor 70 Seiten ein Kreis angefangen, der sich nun schliesst, was seltsam ist, weil es hier, in diesem tiefen Sumpf aus Hyperfunktionen, auf keinen Fall so aussieht wie am Ausgangspunkt, was irgendwie die Definition eines Kreises wäre. Die gute Nachricht: In weiten Teilen des restlichen Buches ist von Hyperfunktionen nicht mehr die Rede.

Erratische Anekdote: In chilenischen Urwalddörfern heissen winzige Wellblechhütten, an denen es nur PAP-Limonade und Bananen gibt, "Supermercado", während die supermarktgrossen Läden in der Stadt dann "Hipermercado" genannt werden.

Hilfreicher Hinweis: In schlechten Zeiten unbedingt regelmässig vorblättern, nur um sich zu vergewissern, dass auch wieder gute Zeiten kommen.

Kalenderweisheit: Die Bölts ist stärk, die geht niemals kapütt. (Walter Godefroot)

178 von 1049 Seiten

Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (2) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von Erika Zabel:

Der hilfreiche Hinweis ist luminous und verdient eine Ehrung in Zeiten des Wintergrau und Nebelblau, wenn man das Gefühl hat, dass der Himmel nachts blauer ist (das gilt nur für Grossstädte).
Deshalb eine kleine Anekdote aus der Radsportwelt:
Über die Entstehung Ulles Kosenamens.
Damals im realsozialistischen Osten (wo ist Ihre Heimat hin?), als alle Ostradsportnachwuchstalente noch in der Osteuropäischen Hochebene zusammen trainierten und nur ab und an leistungsteigernde Amphetamine, unauffällig in kleinen Pausengetränkportionen, verabreicht bekamen, wurde sich in alter Tradition nach dem Training über div. neue Produkte, die mitleidende Familienmitglieder in regelmässigen Abständen aus dem Imperialistischen Ausland schickten, ausgetauscht. Wenn also dann im Rausch der Endorphine jeder sein fortschrittliches Produkt den anderen, natürlich mitunter etwas stolz, präsentierte, war Ulles Reaktion öfter als des Öfteren: " Geil. Koof ick.". Damit hatte Koof-ick seinen Spitznamen weg.
Da muss man nicht mehr viel mehr sagen, wie so oft an anderer Stelle.

20.11.2007 / 16:00

Kommentar #2 von Erika Zabel:

Achso, ich wollte so gern ein Bild der 3D Punktwolken sehen, sollte sich da irgendwie etwas machen lassen.

20.11.2007 / 17:05