28.06.2011 / 14:41 / Angela Leinen liest: Klagenfurttexte / Viele lesen: Klagenfurttexte 2011
Die Klagenfurt-Adventszeit beginnt mit der Verkündung der Kandidaten, dieses Jahr war das am 25. Mai. Danach öffne ich dann Türchen für Türchen: Leseproben der Kandidaten, das Erscheinen der Vorstellungsfilme, Interviews mit Kandidaten und Juroren, Kleiderschranktür fürs Packen und so weiter.
Noch am Morgen der Verkündung (also vor Kenntnis) der Kandidaten haben Frau Passig und ich die Kriterien der Automatischen Literaturkritik der Riesenmaschine aktualisiert und dann vergessen, das Doc wieder freizuschalten. Es ist aber kein Schmu passiert, schschwöre!
In den Vorjahren habe ich mich stets bemüht, von allen Kandidaten etwas zu lesen. Damit bin ich dieser Jahr im Hintertreffen, schuld ist das neue eBook. Da ist schon so viel zu lesen drin, dass ich gar keine Papierbücher mehr herumtragen will. Von den Bachmannkandidaten gibt es aber nicht allzuviel als eBook.
Ich beginne mit Daniel Wisser, geboren 1971 in Klagenfurt, der mir das dusselige Adventsbild eingeimpft hat. Das Haus Dopplergasse acht in diesem "Roman in 45 Strophen" ist das "Adventskalenderhaus". 24 Fenster? Der Ich-Erzähler sitzt im Haus Dopplergasse 5 und schaut sich das Haus gegenüber an. Da wohnt "meine Ingrid" und noch ein paar andere Gestalten, zum Beispiel die Mezzaninfamilie, bei der "immer der Fernseher rennt".
Das ganze ist in Verse aufgeteilt, so spart man sich die Satzzeichen, alles kleingeschrieben, da freut sich der Korrektor, fast nix mehr zu tun ausser Buchstabendreher suchen, alles andere ist Kunst. Vorteil: Auf diese Art passt nicht viel Text in das kleine Buch (93 Seiten). Jede Strophe, und sei sie noch so klein, fängt auf einer neuen Seite an, da passt viel Weiss hinein, ist das Bescheidenheit oder Faulheit? Mir ist es unter beiden Gesichtspunkten recht.
Deshalb ist "Dopplergasse acht" ein leichter Einstieg:
da ist
bevor der kaffee kalt ist
ein drittel gelesen
beschwingt und gestärkt durch austriazismen
worauf ich heute fast vergessen hätte
schöne Komposita
mezzaninbräute mopedritter
und die erwartung
beim weiterlesen mehr über einen
unlängst ermordeten besenbinder
dopplergasse fünf
zu erfahren
begebe ich mich an die arbeit.
Daniel Wisser liest auf Einladung von Paul Jandl. Ich darf schon verraten, dass er bei seinem Vorstellungsvideo sehr, sehr wenig falsch gemacht hat (man könnte über eine Spiegelung diskutieren). Erwartungen: Keine. Gerade diese Kleinkunstmenschen laufen in Klagenfurt oft mit ganz anderem Kram auf, dicken Familienromanen, klassischen Kurzgeschichten.
Für sein nächstes Buch "standby" will er "eine eigene Sprache und eine eigene Form finden", ob das Drohung oder Verheissung ist, erfahre ich vielleicht schon nächste Woche: Daniel Wisser liest in Klagenfurt einen Text, der irgendwie mit diesem Roman zusammenhängt, aber kein Ausschnitt daraus sein soll (Umgehung von Minuspunkt 27.)