23.06.2010 / 18:20 / Monika Scheele Knight liest: Klagenfurttexte

Griechische Mythologie im apokalyptischen Heute

"In jede unserer Erfahrungen, so glaube ich inzwischen, ist etwas zutiefst Unreines, Verstörendes und Falsches eingeschrieben."

Thomas Ballhausens Asterios gibt mir in den "Unversöhnten" einen Satz für die nächsten Bachmanntage mit den auf Weg, das finde ich in Ordnung. Ansonsten kann ich zu der Erzählung wenig sagen, das 'Herumtasten in einer nebulösen Welt' hat ein bisschen was von akademisch hochgejazztem Paul Auster, im toten Briefkasten werden Aufträge hinterlegt, in der Bibliothek dient ein wahllos-intuitiv gewähltes Buch als Handbuch und Taktgeber der Auftragsbearbeitung, formal ist die Erzählung ziemlich experimentell, viele Doppelpunkte, ca. drei Kapitel pro Seite: 1.1., 1.2., 1.3. etc., ein fragmentarischer und hermetischer Text, distanziert, asketisch, sicher als anspruchsvolle Lektüre zu bezeichnen, Autor und Verlag sprechen selbst von schwieriger Literatur.

Seit Studiumsende mag ich so elitäre Texte nicht mehr besonders gern, ich sehe aber auf jeden Fall den Vergleichenden Literaturwissenschaftler am Werk und kann ein bisschen wehmütige Sympathie dafür nicht verhehlen, Oliver Kahn würde sagen: "Ich kann nicht sagen, dass es mir nicht gefällt." (Ich fände es gut, wenn jemand Oliver Kahn mal sagen könnte, dass er nicht ständig in Doppelverneinungen sprechen sollte, und ausserdem muss nicht jeder zweite Satz mit: "Ja, wenn Du..." beginnen. Wie lang dauert diese Weltmeisterschaft noch?) Jedenfalls bin ich einigermassen versöhnt mit Ballhausens Unversöhnten, rechne einem solchen Text aber wenig Chancen im Bewerb aus, es sei denn, die Jury sieht sich aus irgendeinem Grund gezwungen, ihre Intellektualität unter Beweis zu stellen.

Unklare Praxis: Postalische Verstreuungen
Pro: Zitate von The Smiths, The Decemberists und P.J. Harvey
Contra: Zitat von Billy Corgan und schwarzer Rollkragenpulli

Monika Scheele Knight / Dauerhafter Link