17.06.2010 / 22:15 / Kathrin Passig liest: Tagebücher Band 5, 1943-1945 (Joseph Goebbels)

Meine ausserordentlich gut gelungenen Reden

Um mich der Seitenzahlensklaverei vorübergehend zu entwinden, werde ich Band V der Goebbelstagebücher nach Themen geordnet bearbeiten. Man hätte natürlich auch bei Band I anfangen können (das Buch ist eine Leihgabe von Christian Heller, der alle Bände in Kassette besitzt), aber "der Reihe nach lesen ist was für Germanisten" (Regine Heidorn), und ich wollte erst mal wissen, wie es ausgeht.

Goebbels ist kein Mann der Selbstzweifel, na gut, das ist jetzt vielleicht nicht die allergrösste Überraschung des Jahrhunderts. Ich fühle mich bei der Lektüre zunehmend unqualifizierter für Propagandaministerposten tausendjähriger Reiche. "Ich beginne deshalb am späten Nachmittag meine Rede für den Sportpalast zu diktieren, die ich bis in den späten Abend hinein korrigiert vorliegen habe", mit so was fängt es schon mal an, ich würde für eine Sportpalastrede Monate brauchen. Und was für eine Zufriedenheit mit der geleisteten Arbeit: "Ich glaube, dass sie sehr gut gelungen ist. Vielleicht wird sie sogar eine Meisterleistung meiner bisherigen Redetätigkeit überhaupt sein."

Ich halte meine Vorträge ja samt und sonders für Tiefpunkte meiner bisherigen Redetätigkeit überhaupt, aber dann passiert es mir ja auch nie, dass sich der Führer persönlich "auf das schmeichelhafteste für mich über meine letzte Sportpalastrede [auslässt], die er als ein psychologisches und propagandistisches Meisterstück bezeichnet. Er habe sie von Anfang bis zu Ende aufmerksam durchstudiert, auch das Auslandsecho gelesen, und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass wir hiermit einen Hauptschlager gelandet hätten. Er ist von der Wirkung geradezu begeistert." (9.3.1943)

"Mein Tunis-Artikel hat in der öffentlichen Weltmeinung einen tiefen Eindruck hinterlassen. Die hier vorgetragenen Argumente wirken durchaus überzeugend." (22.5,1943). "Das Volk erwartet Freitagabend die Verlesung meines Leitartikels so wie seine tägliche Brotration" schätzt Goebbels im September 1944, und "[Meine Rede] war im Augenblick das Beste, was überhaupt gesagt werden konnte." im Oktober. "Abends um 7 Uhr wird meine Rede über den Rundfunk übertragen. Ich höre mir sie selbst noch einmal an. Vortrag und Stil sind ausgezeichnet, und ich verspreche mir davon wenigstens einige Wirkung ..." Das war am 1. März 1945, danach hielt Goebbels zwar noch eine Rede am 19. April, aber da er zu diesem Zeitpunkt schon kein Tagebuch mehr führte, kann man nur spekulieren, dass er auch mit dieser letzten Rede ausserordentlich zufrieden gewesen sein wird.

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