14.06.2010 / 15:52 / Kathrin Passig liest: Dark Light: Electricity and Anxiety From the Telegraph to the X-Ray (Linda Simon)

Marker, Mörder und Matratzen (195-245)

Es war eine harte Rangelei mit Jan Bölsche um den Besitz des Sillerschen Klebemarkerbriefchens ("ich kann ohne nicht mehr lesen!" – "ich auch nicht!"). Man kann das kostbare Gut aber, wie ich inzwischen herausgefunden habe, einfach nachkaufen, Suchbegriff Haftmarker. "Wer zu anderen unbekannten Marken greift, kann evtl durch die Klebekraft enttäuscht werden! Ich bin zufrieden mit den Haftmarkern von Sigel und hab auch noch genug!", so der bisher einzige Amazonrezensent H. Duong.

Der Tunichtgut Charles Guiteau schiesst auf Präsident Garfield, und "it seemed inexplicable that so mild and innocuous a president as Garfield would be vulnerable to assassination". Zum ersten Mal tritt ein Arzt in den Zeugenstand und erklärt, der Angeklagte sei erblich belastet und könne nichts für seine Tat. Kranke Menschen könnten sich nicht einfach durch Willenskraft von ihren Krankheiten befreien. Guiteau wird trotzdem zum Tode verurteilt und am 30. Juni 1882 gehängt. Garfield stirbt an den Folgen seiner Verletzung, aber vorher versuchen Alexander Graham Bell und der Astronom Simon Newcomb noch, die in Garfields Körper umherirrende Kugel mit Hilfe eines elektrischen Instruments ausfindig zu machen. Sie scheitern daran, dass Garfield auf einer Matratze mit Metallfedern liegt (eine Auflösung, die den beiden nicht bekannt gewesen zu sein scheint). Die Presse spottet.

Dann geht es um die Suche nach humaneren Hinrichtungsmethoden. Garrottieren, Enthaupten, Erschiessen, die Giftspritze und elektrischer Strom werden als taugliche Methoden identifiziert, aber die ersten drei sind den Ergebnissen einer Umfrage unter Richtern, Staatsanwälten Sheriffs und Ärzten zufolge zu unästhetisch und blutig. Die Giftspritze wird von den Ärzten abgelehnt, deren Patienten ohnehin schon genügend Vorbehalte gegenüber Spritzen hegen. Bleibt nur der Strom. Auch hier sorgen sich Ärzte und "the electrical community" um den guten Ruf der neuen Technik: "Any hint of the lethal potential of electricity could undermine efforts to market the new form of energy."

Der Arzt Peter H. van der Weyde versucht 1888, die Elektrizitätsskeptiker zu beruhigen: "The opposition of the alarmists who predict terrible disasters from the introduction of alternate electric currents reminds me forcibly of the predictions made less than one century ago, when the world was warned against the introduction of illuminating gas and railroad trains. About gas it was prophesied that it would blow up cities, or destroy them by universal conflagrations, and that railroads would cause the indiscriminate and wholesale slaughter of the reckless individual who dared to tempt Providence, by trying to travel with the enormous velocity of twenty miles an hour."

Nach langem Hin und Her über technische Fragen wird der erste Mensch auf dem Elektrischen Stuhl hingerichtet, ein Mörder namens Kemmler. Im Unterschied zu den im Vorfeld exekutierten Hunden, Rindern und Pferden, die so freundlich waren, ohne weitere Umstände tot umzufallen, stirbt Kemmler einen langsamen und unästhetischen Tod. Augenzeugen und Presse sind empört, und auch weitere Hinrichtungen verlaufen nicht so glatt wie versprochen. "A physician who served as Boston's medical examiner confessed to Hamilton that after being present at many electrocutions, he believed it 'brutal and unscientific' and hoped that it would soon be abolished." Warum sich der Elektrische Stuhl trotzdem durchgesetzt hat, konnte ich dem Buch nicht entnehmen.