13.06.2010 / 16:46 / Angela Leinen liest: Klagenfurttexte

Moppel Wawerzinek, der Wiedergänger

1991 war in Klagenfurt das Jahr "Babyficken", das Jahr, in dem der erste Text mit Migrationshintergrund den Bachmannpreis gewann und das Jahr, in dem sich Karl Corino in der Abstimmung um den Ernst-Willner-Preis "zwischen Diphterie und Scharlach" für Marcel Beyer (Diphterie) entschied. Sein Favorit, vielleicht auch sein Kandidat, war Peter Wawerzinek, der in diesem Jahr auf Einladung von Meike Fessmann wieder dabei ist. Fessmann setzt offenbar ganz auf die Karte DDR, spielt also quasi mit zwei schwarzen Bauern. Methode Hildegard E. Keller, die trotz zweier Preise im Vorjahr (Krampitz und Sander) ihre Strategie in diesem Jahr geändert hat. Studiodekor damals: Lila Puzzle. In diesem Jahr ist es blau.

Peter Wawerzinek las 1991 in Klagenfurt "Moppel Schappik", vermutlich aus Moppels Schappiks Tätowierungen.

Thema: Moppel Schappik zieht nach Berlin und leidet offenbar unter Reim- und Wortspielzwang.

Das ist noch der Osten, wie lang existierte das "Gastmahl des Meeres" am Alexanderplatz? Ich las vorige Woche was vor im ehemaligen ungarischen Kulturzentrum, direkt neben dem Gastmahl des Meeres, ein perfektes 70er-Ambiente mit Spiegeln, rechten Winkeln und viel Braun. Der neue Betreiber versucht, dem Ganzen den typisch Berlin-Mittigen Sperrmüll-Touch zu geben, es noch ostiger aussehen zu lassen als ohnehin schon. Moppel Schappik schlürft Anfang der 80er Taschenkrebse, bevor er "mit einem Halbstarken über Giftpflanzen, Rumbatanzen, Weitflugschanzen blaablaate, die Kellnerin in einen Dialog über das industrielle Bauen und Frauenverhauen verwickelte und frech-forschelnd seiner Wege ging".
Immerhin hat er einen Videorekorder, oder ist das irgendwie übertragen zu verstehen, dass er nun in seinem Schaukelstuhl sitzt und Literaturverfilmungen anschaut, statt mit Proleten zu reden?

Ungarisches Kulturzentrum/hbc

Prater, Alexanderplatz, Gastmahl des Meeres, Kollwitzplatz, Leninallee, war alles mal weit weg von Klagenfurt. Heute dagegen schickt der Prenzlauer Friedrichshain Jahr für Jahr grössere Abordnungen zum Vorlesen an den Wörthersee.

Dieser Schappik ist ein Bohèmien, Medizinstudium in Rostock abgebrochen, auf dem Friedhof gejobbt, dann nach Berlin. Lungern, beobachten, umziehen, Gedichte schreiben: "Im Verlaufe eines Tages ist die Nacht die schönste Jahreszeit."

Ist Schappik ein alter ego von Wawerzinek? Der: In Rostock geboren, Studium abgebrochen, Totengräber und anderes, dann Berlin. Von Wawerzineks Homepage: "...war er bereits in den Achtzigerjahren als Performance-Künstler und Stegreifpoet aktiv und unter dem Namen "ScHappy" in der Ostberliner Literatenszene im Stadtteil Prenzlauer Berg bekannt." Kein Geheimnis, dass seine Texte "stark autobiografisch geprägt" sind.

Prädikat: Verspielt. Überspielt.

Auch von Wawerzinek erscheint demnächst ein DDR-Roman, seine eigene Geschichte vom Aufwachsen in der DDR: Rabenliebe. Eine Erschütterung.
Hier Leseprobe.