10.06.2010 / 19:52 / Kathrin Passig liest: Dark Light: Electricity and Anxiety From the Telegraph to the X-Ray (Linda Simon)

Grün (nicht zitiert), orange und rosa (96-167)

Was mir an der Lektüre bisher am besten gefällt: Ich verwende ein Werbegeschenk der Firma Siller, einen kleinen Block mit bunten Klebemarkerstreifen. Die Klebestreifen sind halbtransparent und in Farbe, Form und Oberflächenseidigkeit viel befriedigender als die Stückchen alter BVG-Fahrscheine oder Postit-Fetzen, die ich sonst verwende. Sie stecken in einer Art Streichholzbriefchen, das sich auch gut als Lesezeichen eignet.

Viel Verwendung habe ich allerdings nicht dafür gefunden. Es werden weiterhin diverse Biographien nacherzählt, das tut nicht weh, fühlt sich aber an wie Füllmaterial. Interessante Zustände herrschten offenbar in der amerikanischen Medizin des 19. Jahrhunderts. "Early in the nineteenth century, a medical examination consisted largely of observation: taking the pulse and observing skin color, manner of breathing, and appearance of urine. The stethoscope, invented in France in 1819, was only slowly accepted by physicians, who spurned the use of instruments. These artifices, they believed, would diminish, rather than enhance, their authority, because physicians would appear to be nothing more than surgeons, then at the lowest rung of the medical hierarchy."

George Beard, Besitzer von zwei sehr hübschen Bärten und Entdecker der Neurasthenie, führte diese neue Modekrankheit unter anderem auf tiring brain work, Übererregung und den kulturellen Stress zurück, der durch Zeitungen und Zeitschriften in die Welt gekommen war. Und auf die Wissenschaft: "[Beard] recognized that science created a culture of expertise which undermined people's belief in their own authority. Instead of trusting what they could see and hear, people were persuaded that their senses could deceive them. Only scientists, with their knowledge of theory and special access to invisible natural phenomena, were able to distinguish true from false. This undermining of a personal authority led to feelings of anxiety and powerlessness, two symptoms of neurasthenia." Ob man bis zum Auftauchen der Wissenschaft wirklich so grosses Zutrauen in die eigene Autorität hatte? Oder ob die Wissenschaft da nur schon mal die Lücke füllt, die die Religion demnächst freimachen wird? Eventuell müsste man mehr bunte Markerstreifen kleben, um das herauszufinden.