27.08.2008 / 15:05 / André Fromme liest: Bücher (von Autoren)

Zuhause, da war ich schon (49-49)


Hier entlang, bitte.
Nun begebe ich mich endgültig in die Gefilde des wehrten Lesemaschinen-Kollegen Jahr, denn auch ich kann derzeit nur darüber schreiben, wie ich Georg Fosters »Reise um die Welt – Illustriert von eigener Hand« nicht lese. Wer also etwas zu diesem Buch erfahren mag, kann meinen diesmonatigen Beitrag getrost überspringen und auf die Fortsetzung meiner Forster-Lektüre im (vermutlich) späten November warten. Wer etwas über fremde Länder erfahren möchte, ist hier allerdings gar nicht so schlecht aufgehoben, denn ich habe mich darselbst auf den Weg gemacht, die Welt zu erkunden.

Heute: Irland.
Genauer: der Ring of Kerry. Das ist eine Panoramaroute im County Kerry im Südwesten des irischen Eilands. Auf dieser Strasse fahren – nebenbei bemerkt – erschreckend viele erschreckend breite Reisebusse auf beunruhigend schmalen Strassen.

Von unserer aktuellen Wahlheimat Cork aus ging es über Macroom und Kenmare im Uhrzeigersinn auf den Ring of Kerry, also zunächst auf der N70 Richtung Westen. Diese Wegbeschreibung für diejenigen, die das gern mal nachfahren möchten. Im Nachhinein bin ich selbst erschrocken darüber, wie abhängig vom Kartographen man als Kapitän eines Kleinwagens auf Rundreise ist. Denn jetzt, wo ich versuche, die Strecke auf der Karte nachzuvollziehen, finde ich kaum noch etwas sofort wieder. Das wirft ein ganz neues Licht auf die Seefahrer früherer Zeiten. Wie oft haben sie sich vermessen, wie oft ist im wichtigsten Moment der Federkiel gebrochen und hat so genauere Aufzeichnungen verhindert – und wie oft hat der erste Maat Teile des Kapitänstagebuchs, für das er als Ghostwriter zuständig war, verschludert, weil ein Zettel zum Notieren der abendlichen Rummy-Ergebnisse gebraucht wurde? Das sollte einmal genauer untersucht werden. Vielleicht sind so auch neue Erkenntnisse zum Verbleib Atlantis' zu gewinnen.

Im Gegensatz zu James Cook's Route anno 1772-1775 ist die Kartenlage zum Ring of Kerry heutzutage sehr gut, was leider auch bedeutet, dass es dort keine neuen Landmassen, Kulturen oder Rohstoffe zu entdecken gibt. Wir waren schon sehr stolz, als wir – getrieben vom Harndrang – an einer der wenigen Haltebuchten hielten und ein Schild fanden, versehen mit dem Hinweis »Holy Well« und einem Pfeil hinein in den Wald. Wir folgten dem Pfeil und fanden einen erstaunlich ausgetreteten Trampelpfad, einen geradezu deutsch anmutenden Wirtschaftsweg und schliesslich ein verrostetes Gatter. Es liess sich nach oben hin hochklappen, ähnlich diesen selten gewordenen Bahnschranken mit darunter hängendem Drahtzaun. Einige Rostflocken rieselten zu Boden und wir betraten den Zugang zur »heiligen Quelle«.

Zugegeben, ein wenig enttäuscht waren wir, als wir feststellen mussten, dass die örtliche1 christliche Pfadfindergruppe die Quelle und den Weg dorthin frisch mit neuen, sehr ordentlichen, Holzgeländern ausgestattet hatte, auf dass sich niemand die Haxen breche. Beim heiligen Born angekommen, überkam uns – allesamt Ungläubige vor dem Herrn – doch ein Gefühl, wie es Forster und Cook auf ihrer Weltumseglung manches Mal erlebt haben könnten. Wir konnten die Spuren anderer Menschen sehen, die hier augenscheinlich Devotionalien – kleine Figuren, Widmungen und Holzperlenketten – eines uns unverständlichen Kults hinterlassen hatten. Wir wussten auch nicht so recht, über welche Kräfte diese offenbar hoch geschätzte Quelle verfügen sollte. Verhalf sie zu ewigem Leben? Linderte sie Haarausfall? Wenn ja, wie wendete man ihre Kräfte an? Durch Trinken, Finger eintauchen, Gebetsformeln sprechen...? Wir entschieden uns für einen Mittelweg – tauchten unsere Hände ein und berührten diese dann halbherzig mit der Zunge. Das sah vermutlich einigermassen merkwürdig aus und schmeckte noch nach dem Salz der im zurückgelassenen Fahrzeug vertilgten Crisps.

Eine ähnliches Begegnung sollten wir einige Wochen später noch einmal haben, als wir den Fairy Tree nahe den Mahon Falls (County Waterford) sahen – ein weiteres Naturobjekt, das mit rituellen Gegenständen (CDs, Duftbäumchen, Rosenkränze, Freunschaftsbänder...) behangen worden war, ohne dass wir hätten ahnen können, welchem Zweck dies gedient haben möge.

Nächstes Mal wieder: Georg Forsters »Reise um die Welt«. Oder der Rest vom Ring of Kerry, einschliesslich unserer Begegnung mit einem ehemaligen Radsportler, der nun eine 800 Jahre alte Kirchenruine bewacht und Touristen einen Kurzabriss der Gesamtgeschichte Irlands und Europas gibt.

1 Was heisst hier örtlich? In 20km Umkreis dürfte höchstens eine kleine Halbruine gestanden haben.

André Fromme / Dauerhafter Link