26.03.2008 / 13:14 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Epilog (1046-1049)

In Anlehnung an Roger Penrose und Arthur C. Clarke

Das Institut steht auf einer Anhöhe oberhalb der berühmtesten Golfplätze der Welt, weniger hundert Meter entfernt von der Brandung der Nordsee. Wie so oft war Antea die letzte im Haus, andererseits kommt sie auch nie vor Mittag. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich fünf Anträge, die bis Freitag eingereicht sein müssen; davon abgesehen sind Vorlesungen vorzubereiten und Reisekostenabrechnungen zu erledigen. Anteas drängendstes Problem derzeit ist ein ausgeprägter Mangel an Leitsternen in einer Molekülwolke im Sternbild Perseus. Jedes Teleskop braucht Leitsterne, um den Himmelsbewegungen präzise folgen zu können, helle Sterne in enger Nachbarschaft der eigentlichen Zielobjekte. Leider haben Molekülwolken die unangenehme Eigenschaft, Licht zu verschlucken, daher der Mangel an Leitsternen. Andererseits befinden sich gerade in den Molekülwolken, den Geburtsstätten der Sterne, die interessantesten Objekte. Aber ohne Leitsterne kann man sie nicht beobachten. Antea hadert mit dem Universum.

Den ganzen Tag hatte sie sich von Pekannüssen und Cappuccino ernährt. Mittlerweile ist der Akku des Ipod leer, ein kalter Wind zieht durch die undichten Fenster, und der Getränkeautomat ist ausser Betrieb. Das Institut riecht so, wie alle Institute riechen, die einmal damit angefangen haben, sich mit Physik zu befassen: nach Linoleum und warmen Öl. Das Haus ist erfüllt von einem niederfrequenten Brummen, der Nachtwächter in seiner Kabine eingeschlafen. Antea spielt eine Weile mit dem aufblasbaren Planetarium in der Eingangshalle.


Foto, Lizenz


Zwei Stunden später ist Antea keinen Schritt weiter. Sie geht zum Fenster und blickte hinaus in die Nacht. Wie üblich sah man nichts, wer hätte auch etwas anderes erwartet? Die Sterne verborgen hinter der ubiquitären Wolkendecke, und ohnehin waren die interessanten unter ihnen viel zu schwach, um mit blossem Auge gesehen werden zu können. Die Golfplätze, das Meer, die Kampfflugzeuge verschluckt von der Dunkelheit. Noch zwei Stunden bis zum letzten Bus. Noch zwei Tage bis zur Deadline. Das Problem mit der Molekülwolke weiterhin ungelöst. Antea hebt langsam den Kopf und sieht ihr Spiegelbild an. Plötzlich kommt ihr ein Gedanke. Sofort verwirft sie ihn wieder. Es war eine blöde Idee.

1049 von 1049 Seiten

Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (10) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von einem geneigten Leser:

Vielen Dank Herr Scholz, es hat mir grosse Freude bereitet, ihrer Lektüre zu folgen.

26.03.2008 / 13:58

Kommentar #2 von Jonas:

Ach, erschöpft und etwas einsam bleibt der Leser dieser herrlichen ersten Ableitung eines Buches zurück. Beehren Sie uns bald wieder, oder, noch besser, werden Sie bitte, bitte unser Gastautor in der Wissenschaftler-Selbsthilfegruppe <i>walloftime.de</i> – Ihr J.O.

26.03.2008 / 14:19

Kommentar #3 von irgendwem:

(Da kämpft sich einer für uns durch 1049 Seiten solcher Komplexität, und den Jüngern vor der Tür will ein einfacher Kursiv-tag nicht gelingen. Apologies!)

26.03.2008 / 14:20

Kommentar #4 von RKS:

Lieber Aleks Scholz, was Sie zu leisten vermögen im interpretatorischen Zweikampf mit kaum interpretierbaren Büchern, haben Sie elegant gezeigt. Ihr letzter Text hier zeigt: Sie sollten lieber einen Roman schreiben, der im Milieu der harten Wissenschaften spielt. Das brächte Ihnen auch mehr Geld ein.

26.03.2008 / 15:50

Kommentar #5 von Aleks:

Ich glaube, Sie unterschaetzen meine finanziellen Mittel und ueberschaetzen die moegliche Verbesserung durch das Schreiben von Romanen.

26.03.2008 / 17:55

Kommentar #6 von Laika:

Ja, das glaube ich auch. St. Andrews, immerhin älteste Uni Schottlands zahl sicher gut, während man pro verkauftem Buch sicher nicht mehr als einen Euro bekommt.
Irgendwie scheint es einsam zu sein, da in Schottland.

26.03.2008 / 18:25

Kommentar #7 von Frau Grasdackel:

Herr Dr. Scholz, welchen Teilen des Universums widmen Sie sich eigentlich im speziellen?

27.03.2008 / 03:05

Kommentar #8 von Aleks:

Sehen Sie halt nach.

27.03.2008 / 13:39

Kommentar #9 von dackelgras:

brauner zwerg im dackelgras

27.03.2008 / 14:31

Kommentar #10 von Frau Grasdackel:

Sehr beeindruckend, Herr Dr. Scholz!
Bei der Ehefrau von Dr. Coryn Bailer-Jones, Dr. Daniela Bailer-Jones, wollte ich im WS 05/06 eine Vorlesung über Kausalität besuchen, doch dann hat sie sich einfach, uns unwissend lassend, ins Ungewisse davongemacht ...

28.03.2008 / 02:18