29.02.2008 / 14:05 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Das halbe Stockwerk der Physik (816-868)


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Löst die Serie LOST, the best show on TV, das Realitätsproblem der Quantenmechanik? Erinnern wir uns: Solange man nicht hinsieht, verläuft die Entwicklung eines eingesperrten Quants kontinuierlich und vorhersagbar. Sieht man aber nach, kollabiert die Wellenfunktion und wir nehmen nur eine Möglichkeit wahr. Aber wo sind all die anderen? Im Omnium überlagern sich alle möglichen Ausgänge des Experiments in einem riesigen, gewaltigen Wahrscheinlichkeitssumpf. Die Tatsache, dass wir nichts davon mitbekommen, bedeutet lediglich, dass unser Bewusstsein uns eine kontinuierliche, klassische Welt vorspielt, wo in Wirklichkeit eine Superposition von Tod und Leben, Amerika und Insel, Vergangenheit und Zukunft stattfindet.

Das Omnium ist ein Fernsehgerät mit unendlich vielen Kanälen, und in jedem der Kanäle spielt eine Kopie von mir mit. In einem Programm stürze ich mit dem Flugzeug auf eine Insel und überlebe, im anderen sieht man meine Leiche auf dem Grund des Pazifiks, im dritten rettet mir Dr. House das Leben, im vierten blogge ich über Roger Penrose, und so weiter. Nur eines interessiert mich jetzt noch: Wer zur Hölle sieht sich den ganzen seichten Dreck an?


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Penrose hingegen glaubt nicht an das Omnium. Er hält den Kollaps der Wellenfunktion, die seltsamen Sprünge in der Quantenwelt, nicht für ein Artefakt, sondern für einen realen, objektiven Prozess. Und er sieht in der Gravitation, dem einzigen Ding, das nicht in das schöne Gerüst der Quantenmechanik passt, die Ursache für das sprunghafte Gebaren von Kleinteilen. Es kommt mir wie ein kaum glaubhafter Zufall vor. Angenommen man baut ein Auto aus seinen Einzelteilen zusammen. Am Ende funktioniert alles, aber nur, wenn man sich die Augen beim Fahren zuhält, ein hinnehmbares Problem also. Ausserdem bleibt ein schwarzer Kasten übrig, der nirgendwo passte. Sollte man das Auto komplett demontieren, nur weil auf dem schwarzen Kasten in roter Schrift "Help me!" steht? Oder einfach in Richtung Large Hadron Collider weiterfahren? Es wird schon irgendwie auch ohne den Kasten funktionieren.

Für einen kurzen Moment bleibt der Fernseher so stehen, dass ich mit eingezogenem Kopf durch die Gänge des siebeneinhalbten Stockwerk laufe. Irgendwo dazwischen sind wir angekommen, zwischen nur das Offensichtliche erkennen und eine Art Ahnung haben, damit falschgelegen zu haben. Wie man damit weiterleben soll? Man muss nicht lange nach der Antwort suchen: The 'experts' really don't know any more than guys like me and Chef Ed, posting on the internet while living in our moms' basements. (Fish in einem Basketballforum)

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Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (3) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von Tim Brenner:

Wenn dieses Buch zur Lösung von Lost beitragen kann, muss ich es wohl tatsächlich selbst lesen.

01.03.2008 / 14:01

Kommentar #2 von Ruben:

Witzig ist vorallem die ethische Frage: Was ich in diesem Kanal tue, tuen meine Kopien in den anderen Kanälen nicht (sie realisieren ja andere Möglichkeiten). Also müsste ich, um meinen Counterparts in den anderen Kanälen Gutes zu tun, in meinem Kanal alles Schlechte ausführen, damit es meine anderen Kopien nicht mehr tun. Ich sollte also hier und jetzt sofort den dümmsten Selbstmord begehen, damit er für meine Counterparts unmöglich wird.

02.03.2008 / 04:19

Kommentar #3 von Frau Grasdackel:

Sie meinen so wie bei Elvis? Das Original zerstört sich, dafür werden seine Kopien niemals aussterben. Sie sind ja eitel!

03.03.2008 / 04:56