27.02.2008 / 08:50 / Mehrere lesen: Verschiedenes (von manchen)

Sternstunden der Bedeutungslosigkeit – Der Fürst der Überflüssigen (1-31)


Die unpunkige Art, einen Fisch zu essen
Der Plot der ersten dreissig Seiten ist schnell erzählt: Der Protagonist namens Michael Sonntag sitzt beim Arzt, hat Nachdurst und trinkt das Aquarium im Wartezimmer aus. Dabei verschluckt er einen Fisch, mit dem er fortan Selbstgespräche führt. Er lebt in Hamburg in einer verdreckten Wohnung, die er nie abschliesst, mit seinem Mitbewohner Bruno, der ihm bei Schiessübungen in einem Bunker zugelaufen ist. Seine Jugendfreundin hat sich gerade von ihm getrennt, auf einer Warmhalteplatte hält er den letzten Kaffee, den sie beim Abschied stehen liess, schon seit Wochen warm. Er nennt ihn den "Kaffee der Liebe". Michael Sonntag studiert eigentlich Kunst, ist aber schon länger nicht an die Hochschule gegangen und hängt nur ab. Gelegentlich schaut er seiner Nachbarin von gegenüber, der schönsten Frau der Welt, ins Fenster oder findet Konsolation vor dem Fernseher. Seine Lieblingssendung ist "Geh aufs Ganze" mit Jörg Draeger und dem Zonk. Geld für die Einkäufe bei Lidl verdient er sich, indem er nachts Plakate für einen gewissen Maff klebt, das meiste vertrinkt er gleich im Anschluss ans Kleben in einer Kneipe mit dem schönen Namen "Nasenbär". Freiheit also, mit allen positiven wie negativen Aspekten.

Rocko Schamoni hat seinen Roman letzten Dezember in der Sendung "Zimmer frei" vorgestellt. Er verrät dort, dass er darin sein Leben als Fünfundzwanzigjähriger verarbeitet hat. Etwa 30 % sind nach eigenem Bekunden autobiografisch, der Rest ist von anderen Leuten zusammengeklaut.

Im ersten Beitrag hatte ich erwähnt, dass ich mir mit Rocko das Geburtsjahr teile und sich unsere Wege bereits Mitte der Achtziger erstmals kreuzten. Es liegt also nahe, mal zu überlegen, was ich 1992 mit 25 so getrieben habe. Da überwiegen zunächst die Parallelen. Verdreckte Wohnung, ein Studium, zu dem ich länger nicht hingehe, ich sehe auch viel fern, durchaus auch Jörg Draeger und den Zonk, werde auch aus der Bahn geworfen, allerdings nicht, weil meine Freundin mich verlässt, sondern wegen der verpassten Meisterschaft im Mai 1992 in Rostock: Noch Wochen nach dem Schlusspfiff von Alfons Berg sitze ich apathisch auf dem Sofa, nicht fähig, mich zu bewegen. Aber es gibt auch noch andere Unterschiede. Ich trinke Tee, keinen Kaffee, gegenüber gibt es keine unbekannte Schöne, der man in die Wohnung gucken könnte, sondern nur ein Altersheim mit alten Frauen; und der wohl gewichtigste: ich wohne in Mar- und nicht in Hamburg.

Volker Jahr / Dauerhafter Link