31.12.2007 / 18:26 / Kai Schreiber liest: The Power Broker (Robert A. Caro)

Untergang (402-425)


So geht das, Herr Caro.
The Fall of New York heisst Caros Ziegel im Untertitel, das evoziert Gibbon und Shirer, und die Parallele zu Rom zog Caro selbst noch explizit im Vorwort, wo er das Coliseum erwähnt, mit dem Moses sich selbst in den Pantheon der Stadtplaner heben wollte. Grosse Töne sind das, bislang aber erscheint Moses zwar als persönlicher Unsympath und Leuteschinder, aber doch hauptsächlich als immens positiver Einfluss auf Stadt, Land und wohl auch Fluss New York, wenn es denn einen gäbe. Niedrige Brücken, um Busladungen armer Menschen aus seinen schönen Parks rauszuhalten, mögen auch moralisch niedrig sein. Und der Rauswurf von Hunderten von Leuten in einer Zeit, in der die hungernden Arbeitslosen überall in Zeltstädten hausen, und der Abriss von Wohnblocks im riesigen Massstab – ein Lieber ist Moses sicher nicht. Aber all die Parkrenovierungen und -gründungen, und nicht zuletzt der Bau des Brückenmonsters Triborough klingen eher wie der Anbruch einer goldenen Ära als der versprochene Anfang vom Ende.

Dabei wäre es doch so leicht. Ein Virus rafft die Bevölkerung hin, nur Will Smith und ein Schäferhund bleiben übrig und schlagen dann die Stadt kurz und klein. Oder, wenn das noch nicht apokalyptisch genug ist, ein Raumschiff kommt und schiesst der Freiheitsstatue den Hut vom Kopf, alle New Yorker sterben sofort vor Schreck, und die Bewohner New Jerseys ziehen stattdessen in Manhattan ein. Mietfrei! Grusel! Oder, noch anders, ein riesiger Müllsack fällt aus einem der oberen Stockwerke des Reichsstaatsgebäudes und begräbt den Rest der Stadt unter sich. Sowas wollen wir sehen. Stattdessen bietet Caro uns kläglich scheiternden Wahlkampf, und einen Moses, der sich offenbar nicht zum Gouverneur, wohl aber zum HB-Männchen eignet. Schade, denn als am Ende der Kandidat vor einem fast leeren Madison Square Garden schnarrend seine letzte Wahlrede hält, da hätte man sich gut Will Smith vorstellen können, der erst Moses den Hut vom Kopf, und dann alles mit einem Schäferhund kurz und klein schlägt. Untergang geht anders. Herr Caro, ich warte.

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