23.12.2007 / 20:35 / Kai Schreiber liest: The Power Broker (Robert A. Caro)

Let Them Eat Roads (323-346)


Mosesgehirn trinken, fertig: wenn es nur so einfach wäre.
Wie wird man eigentlich Moses?

Das ist natürlich erstmal eine doofe Frage, man könnte sie auch einem Pfirsichkuchen stellen, he, Kuchen, du bist so locker und wohlschmeckend, wie wird man so, und selbst wenn man eine Antwort bekäme, würde man davon ja nicht Kuchen, sondern bliebe Krümel. Trotzdem muss ich mich das, Seite für Seite, fragen: wie wird man so? Als ich vor vier Monaten auf dem Flughafen an der Jamaica Bay landete, nicht die geringste Vorstellung davon, was mich in New York, schlimmer noch, in New Jersey, erwarten würde, und mich in ein Mietauto setzte, und als dieses Mietauto dann erstmal eine halbe Stunde lang in einem Stau stand, weil alle grade zur Arbeit wollten, dachte ich: doofer Stau. Nicht dachte ich: hier müsste man mal ein Netz von Umgehungsstrassen bauen, um den Frachtgutverkehr, für den das südliche Queens nur eine Durchgangsstation und nicht das Ziel ist, schneller aus dem Weg zu schaffen.

Das liegt zugegeben nicht nur daran, dass ich nicht Moses bin, sondern auch daran, dass der von Moses gebaute Highway, auf dem ich im Stau stand, ein Teil der von ihm durchgeboxten Umgehungsstrassenlösung ist, und man sich ja schlecht als Ausweg aus einem Stau den Bau derselben Strasse wünschen kann, auf der man grade im Stau steht. Das wäre ja Quatsch, so als wünschte man sich zur Stillung eines monumentalen Dursts, am Vortag einen Kaffee getrunken zu haben. Wo doch jeder weiss, dass Kaffee dehydriert, und ein mit saftigen Pfirsichen belegter, lockerer Kuchen viel besser gegen Durst hilft.

Und jeder weiss auch, was gegen den Stau hülfe, mehr Züge nämlich, mehr Fahrräder und mehr Pferdekutschen und mehr Spaziergänger, aber niemand ist heute in der Lage, so ein Pferdekutschensystem einzuführen, weil niemand genug Einfluss, Geld, Einsicht und Dreistigkeit hat: weil eben niemand Moses ist. Es müsste mal jemand beantworten, wie man eigentlich Moses wird, aber das ist letztlich natürlich eine doofe Frage.

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Kai Schreiber / Dauerhafter Link / Kommentare (2) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von Rudi K. Sander:

Ihre Frage, wie man Moses wird, ist nicht doof, sondern leichtfertig: Denn unser letzter deutscher Moses hiess ...
Wenn ich jetzt weiter schreibe, was ich gedacht hatte und schreiben wollte, sitze ich in dieser verdammten Falle, die ich erst neulich hier – über WIKIPEDIA, wie ich es mir leider sagen lassen musste – kennenlernen durfte, Sie wissen schon, dieses vertrackte Gesetz, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe.
Wir brauchen keine Mosesse, wir müssen uns alle gemeinsam so gut, wie wir können, durchschlagen.

24.12.2007 / 16:10

Kommentar #2 von Kai Schreiber:

Ein halber Gedanke, fünf Fehler. Gratuliere, Herr Sander. Frohes Fest.

24.12.2007 / 18:49