16.12.2007 / 23:01 / Julia Schulte-Ontrop liest: Trivialroman (Hans Joachim Schädlich)
Lose baumelnde Empfindsamkeit zwecks ErlebnisfokussierungFolgende Szene: Eines Tages nimmt Qualle Feder mit den Worten: "Damit du nicht sagen musst, du hättest keine Ahnung", mit in die Katakomben der Firmenzentrale, in denen die gefoltert werden, die gegen die Sache ihres Chefs arbeiten so wie einst Feder und Viktor.
Weil Morde viel zu aufwendig und teuer seien, arbeite man
nach Grundsätzen, die Qualle als geschmeidige Sicherheitsdoktrin
erklärt, und die im Kern etwa das ist, was von Naomi Klein kürzlich unter dem Titel The Shock Doctrine globalisierungskritisch ausgearbeitet wurde: "Das wichtigste ist die Angst. Wir können nicht mit allen Leuten zusammenarbeiten. Das wäre viel zu aufwendig. Es genügt, dass die Leute Angst vor uns haben. Das ist unsere Philosophie. Wer Angst hat, der macht sich klein und hält den Mund. Na schön, manche kann man auch bestechen. Denk' doch an dich selber. Aber das Hauptprinzip lautet: Angst".
Deshalb lägen die Folterzellen auch direkt neben dem Schiessstand. Die Gefangenen sollten dauernd die Ballerei in den Ohren haben. Aus demselben Grund gebe es auch die Zelle für Scheinhinrichtungen. Die Leute würden dort an die Wand gestellt und die Schüsse gingen nur knapp an ihnen vorbei, so dass jedem dort Stehenden der Putz um die Ohren flöge.
Wer da dreimal an der Wand gestanden hat, der ist fertig. Fürs Leben. Der sagt nichts mehr gegen uns. Jedenfalls nicht laut. Der sagt höchstens seinen Kumpels wie es war. Die halten dann von selber die Schnauze. Geschmeidige Sicherheit, sage ich dir.
*Karl Valentin
Julia Schulte-Ontrop / Dauerhafter Link / Kommentare (2) / Buch kaufen und selber lesen
Kommentar #1 von Rudi K. Sander:
Die potentielle Unmenschlichkeit schläft immer gleich nebenan, in Reichweite: Jede, auch die nur verbale, Aktivität in dieser Richtung kann selber tödlich sein. Also: Vorisicht sei geboten.
17.12.2007 / 08:33
Kommentar #2 von Rudi K. Sander:
Man kann scrollen und scrollen in dieser schönen Lesemaschine, muss sich aber fragen: Wo bleibt denn hier die so kommentierungsfreudige Berliner Studenten- und Akademikermannschaft aus der Riesenmaschine? Kein Interesse an komplexen Büchern? Keine Lust, mal das (zugegeben: gekonnte) Blödeln zu lassen und mit einem kurzen Text so einzusteigen, dass man den Schreiber oder die Schreiberin erkennt?
28.12.2007 / 11:12