11.12.2007 / 10:24 / Kai Schreiber liest: The Power Broker (Robert A. Caro)

Eierbruch (196-280)


Wer eine Yucca dekorieren will, muss Eier aufspiessen.
Der Sprung Moses' vom gebeutelten Idealisten zum machthungrigen Politikvirtuosen ging so schnell, dass man beim Lesen des vorigen Abschnittes gar nicht anders konnte, als dauernd "das kann doch nicht wahr sein" zu denken. Das Parkaufsichtsgesetz, die folgenden Auseinandersetzungen um Enteignungen auf Long Island, die Kulmination im Büro des Gouverneurs aus einfachen Verhältnissen, der entrüstet "that's me you're talking about" ausruft, als einer der Millionäre sich über den "Rabble" beschwert, den der Verkehrsstrom eines Parkways ihm vor die Haustür spüle, der verzweifelte Versuch, den Patzer ins Witzige zu wenden: wo man denn heutzutage als Millionär noch Ruhe und Besinnlichkeit finden solle, die Aufforderung, es doch mal im Irrenhaus zu probieren, und die anschliessende Unterschrift unter der Enteignungsorder: es kann doch das alles nicht wahr sein.

Die beiden durch Räumungsklagen frei gewordenen Wohnungen hier im Haus rissen die ausserordentlich neugierige dicke Nachbarin kürzlich zur Ermahnung hin, ich möge dem Vermieter dringend von der erneuten Einquartierung von "Gahbage" abraten, es dauerte ein paar Sekunden, bis ich verstand, wovon die kleine böse Frau redete. Gerne hätte ich an dieser Stelle ausgerufen "that's me your talking about" und irgendwas unterschrieben, aber es hätte ja gar keinen Sinn ergeben, und meine Unterschrift gilt nichts in these here parts. Deshalb dachte ich immer, solche Sätze gebe es im wirklichen Leben nicht, sondern nur im Film. Das stimmt aber gar nicht. Sie stehen auch in Büchern.

Nach dem ersten Schock geht es dann Schlag auf Schlag, und nach einer Weile hat man sich daran gewöhnt, wie Verfahren verzögert, Kritiker ausgeschaltet und kurzerhand und illegal Tatsachen geschaffen werden. Als Moses auf den entsetzten Eigentümer der bei Zielübungen von den unrechtmässigen Besetzern zerschossenen historischen Hütte trifft, und auf dessen empörtes Aufbegehren nur antwortet, er solle froh sein, dass aufs Hüttchen statt aufs Hauptgebäude geschossen wurde, weil die Hütte ja sowieso abgerissen werde, hat er die Zuständigkeit menschlicher Moral längst verlassen. Er fühlt sich nur noch sich selbst verantwortlich, denn er ist einer von denen, die Eier zerschlagen müssen, damit andere sich das Wohnzimmer eierschalfarben anstreichen können.

Liest man andererseits, wie er einer Gemeinde ihren Strand durch Wahlbetrug abnimmt, mit politisch erpressten Baugeldern zwei absurd luxuriöse Badehäuser und einen Wasserturm in Campanileform draufsetzt, und Hunderttausenden das Dasein dadurch verschönert, dann weiss man zuletzt nicht mehr, was man zuerst essen soll: das Omelett oder das Huhn.

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