06.12.2007 / 19:24 / Kai Schreiber liest: The Power Broker (Robert A. Caro)

Imperator (180-195)


Wenn das der Vader wüsste.
Im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts ging ich einmal durch Eis und Schnee bergab. An einem leeren Parkplatz im Spätnachmittagsdämmerlicht tappte ich schräg vorbei. Ein paar Autos standen dort im Schneematsch planlos abgestellt, in der weiteren Umgebung gab es nichts, niemand wohnte hier, niemand arbeitete, eine monströse Ödnis, der man entkommen wollte, stracks durchlaufen bis ins Kino. Immerhin gab es am Ende des Wegs ein Kino und keine endlose Reihe bewachter Vorstadtvillen, deren Pförtner ins Vage weisen, immer ein weiteres Stück die Strasse runter, bis man nicht mehr laufen mag und umkehrt.

Ich erinnere mich wohl deshalb noch so gut, weil das mein erster Kinoausflug alleine war, ein Höhenflug der Unabhängigkeit, plötzlicher Machtrausch, Kontrolle über das eigene Leben zu haben, wenigstens über einen winzigen Aspekt. Oder vielleicht weil ich wenig später bunt und laut erfuhr, was der Mann unter seinem schwarzen Hut hat, und dass es im Weltraum einen bösen Fädenzieher gibt, und sich eine Hierarchie des Bösen andeutete, so schwindelerregend wie die räumliche Unendlichkeit selbst mir erschien damals. Es ist gut, dass Achtjährige nichts von Cantor wissen.

Robert Moses ist jetzt am Beginn angekommen. Nach hundert Seiten träge tröpfelnder Vorgeschichte und einer Sägezahnkurve sich aufbauender und kläglich scheiternder idealistischer Umsturzversuche kommt dieser Durchbruch, und vor allem das anziehende Tempo, überraschend. Zwar konnte man natürlich nach der Wiederwahl seines Freundes Smith zum Gouverneur mit einem schönen Posten rechnen für Moses, in der Landesregierung New Yorks. Aber der heimliche Staatsstreich, in dem Moses sein Gesetz zur Formung einer Parkaufsicht erst aus harmlosen Einzelteilen zu einer monströsen Rechtswaffe zusammenschraubt, und sich selbst fest mit dem geschaffenen Thron des Vorsitzenden des Parkaufsichtsrates verlötet, kommt doch ein wenig wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Nicht der Hinterbänkler, dem er das Gesetzbüchlein unterjubelte, und der es vorschlug, nicht das Parlament, das es kurz vor der Sommerpause verabschiedete, nicht der Gouverneur, der es zeichnete, konnten ahnen, was damit geschaffen wurde, und dass diese Meisterleistung juristischer Schriftstellerei ein Dritteljahrhundert lang die örtliche Stadtentwicklung prägen und die Weichen in die weite Zukunft stellen würde.

Matt und einfallslos dagegen George Lucas Weltraumintrige, in der es mangels echter Macht Telekinese und feuerspeiende Monde braucht, um einzuschüchtern, und wo der Finsterling eine Kutte und Falten trägt. Imperator Palpatine könnte von Moses so allerhand lernen. Wie man seine Fühler ausstreckt, droht und enteignet, und wie man dann mit der Macht, die einem gegeben ist, Gutes tut. Oder immerhin keine Todessterne baut, jedenfalls noch nicht.

195 von 1162 Seiten

Kai Schreiber / Dauerhafter Link / Buch kaufen und selber lesen