06.12.2007 / 07:11 / Bruno Klang liest: Lerche (Dezsö Kosztolányi)

Prolog: Die harten und die weichen Bücher (0-0)


Das junge Paar war gerade weggegangen
Hugendubel hat eine neue Bucheinsortierstrategie entwickelt: Hardcover und Taschenbücher stehen nicht mehr säuberlich getrennt, sondern wohnen jetzt zusammen im Regal. Das ist zwar völlig egal, aber ich prangere das an. Vermutlich hat Roland Berger für ein paar Millionen Euro dieses Konzept erarbeitet, damit die Synergien zwischen Taschenbuch und Hardcover zur Optimierung des Kundenwertes gehoben werden können.


Das ist selbstverständlich alles Quatsch. Gerade im Gegenteil war es richtig, gottgefällig und gerecht, das Taschenbuchproletariat vom Leinenadel zu trennen. Wie oft bin ich kalt lächelnd an den zerlumpten Studenten vorbeimarschiert, die vor den Rorororeihen herumlungerten, dann mit federndem Schritt weiter, zu Klett-Cotta und Carl Hanser. Da war es auch viel stiller als in den anderen Abteilungen, die Buchhändler feiner angezogen, und machen wir uns nichts vor: die Kundschaft hatte einfach mehr Klasse.

Alles vorbei. Der neue Regalsozialismus wird uns höchstens ein downbreeding zu den lustigen Taschenbüchern einbringen. Und James Joyce neben Zoe Jenny. Wahrscheinlich verkaufen sie bald sogar an Ausländer oder Bücher mit Migrationshintergrund.

Der ganze Hugendubel? Nein! Dort hinten, da war ein einzelnes Regal, weit abseits der Kundenhorden, die auf der Suche nach billiger Esoterik, Pornografie und Kochbüchern über die Rolltreppen strömten. Ich hielt mich noch einen Moment abseits, denn ein junges, gutaussehendes Paar war vor dem Regal in Streit geraten. Er hielt einen grossformatigen, dunkelblauen Prachtband in Händen, doch die junge Dame rief: "Nein, Volker, du wartest jetzt bis Weihnachten!" und zog ihn davon. Herzig! dachte ich mir und trat näher.

Neben einigen senilen Inselbändchen und etwas Eichborn standen sie, fünf volle Reihen Manesse. Ich griff ins Regal.

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