02.12.2007 / 10:48 / Bruno Klang liest: Ein unauffälliger Mann (Charles Chadwick)

Debütantenball (808-928)


Sind so, wie sie aussehen
Das Buch endet, wie es begonnen hat. Es plätschert aus. Genau so gut hätte es zweihundert Seiten vorher aufhören können oder noch zweihundert Seiten weitergehen können. Tom Ripple schiebt einen weiteren tiefgekühlten Minzkuchen in den Ofen (es waren acht Stück im Laufe des Buches, wenn ich mich nicht verzählt habe). Wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich Ihnen das Buch empfehlen sollte oder nicht, fällt es mir leichter, zunächst zu raten, wann Sie es besser nicht lesen sollten. Wenn Sie sehr jung sind. Es ist ein Buch über das Altwerden, und Sie kaufen sich doch auch keine Pudelmütze und Wollhandschuhe im Mai. Wenn Sie sehr alt sind. Es ist ein Buch über das Altwerden, und darum haben Sie schon genug Pudelmützen und Wollhandschuhe im Schrank.

Ich hatte schon einmal erwähnt, dass Marisha Pessls "Special Topics in Calamity Physics" als letztes Debüt gelesen habe. Das ist ein Zufall, aber doch ein sehr passender Zufall, weil diese beiden Bücher die perfekten Gegenteile sind. Frl. Pessl lässt keine Seite aus, um nicht eine kleine Rakete funkelnder Lustigkeit auf den Leser abzuschiessen. Desweiteren entwickelt sie einen sehr stringenten Plot, um nach zwei Dritteln gleich das ganze Genre zu wechseln. Chadwick hat überhaupt keinen Plot, wenn man vom Altwerden und Fertigminzkuchen einmal absieht. Als Marisha Pessl geboren wurde, schrieb Chadwick schon einige Jahre an seinem Buch. Sie sind beide fast gleichzeitig fertig geworden.

Auf der anderen Seite kann ich Ihnen sogar Chadwick empfehlen, und zwar dann, wenn Sie etwas Extremes lieben. In diesem Fall ist es ein Extremismus des Durchschnitts (nicht extreme Durchschnittlichkeit), und ich kann mich an kein Buch erinnern, in dem dieses Prinzip so konsequent durchgehalten wird. So können Sie sich mit dem Buch wohlfühlen und sogar erholen. Vielleicht, wenn Sie einen anstrengenden Beruf haben, zum Beispiel Cowboy.

Zustand: Ich habe bei Frau Passig um einige Tage Urlaub nachgefragt. Sie antwortete knapp, ob ich jemals von Urlaub auf einer Galeere gehört habe, von Steinbruchferien oder einem freien Gulagwochenende.
Durchsicht der Prophezeiungen: 2:6, also katastrophal.


Kommentar #1 von Kathrin:

Acht Minzkuchen? Dass Chadwicks Übersetzer ein Trottel ist, hat man uns bisher verschwiegen. Eine "mince pie" enthält alles, aber keine Minze.

02.12.2007 / 11:30

Kommentar #2 von André Fromme:

...wollt' auch schon gesagt haben. Hmmm. Hört sich ansonsten so an, als wäre das Buch so, wie ich befürchtet hatte. Doppel-hmm.

02.12.2007 / 15:48

Kommentar #3 von Bruno:

Äh, dann bin eher ich der Trottel, mit dem Minzkuchen.

02.12.2007 / 15:48

Kommentar #4 von Frau Grasdackel:

Scheint so etwas wie Apfelstrudel zu sein. Ich habe noch zwei originalverpackte im Gefrierschrank. Ärgerlicherweise ist das Haltbarkeitsdatum etwas überschritten, aber ich bringe es einfach nicht über mich, sie wegzuwerfen. Wer einen guten Magen hat und sie haben will, der melde sich.

03.12.2007 / 00:25