23.11.2007 / 17:56 / Julia Schulte-Ontrop liest: Trivialroman (Hans Joachim Schädlich)

To beast or not to beast (30-55)


Who's the black sheep?
"Have you seen the little piggies
Crawling in the dirt
And for all the little piggies
Life is getting worse
Always having dirt to play around in"
(George Harrison)

Ein Tag voll von Nichts neigt sich dem Ende entgegen. Ich giesse mir eine Tasse Teewurst ein, setze mich vor die knisternde Heizung und lasse meine Gedanken um das Szenario im Buch flackern:

Die Stimmung in der Bar ist zunehmend angespannt. Man wartet – bereits seit zwei Tagen – auf etwas von aussen Kommendes, das Befreiung oder das Ende bedeutet: Eine Information von Ratte, einen Hinweis von Wanze, eine Nachricht vom Chef, ein plötzlich auftauchendes Mordkommando, einen Wink des Schicksals, Fügung.

Eine Situation, in der niemand sagen kann, ob die Bar, in der man sitzt und die eigentlich ein Bunker ist, Schutzraum oder eine Falle ist. Eine missliche Lage also insgesamt, in der sich die Nervosität aller Anwesenden in die eingefahrenen Hierarchien frisst und sie zersetzt:

Dogge, eigentlich Bluthund und Kopf der Bande säuft sich in den Zustand einer wehleidigen Weinerlichkeit, legt sich auf den Boden und schläft ein wie ein Zerberus, der den Schwanz einzieht, statt die Zähne zu fletschen. Enttäuscht darüber sind Biber, Qualle und Feder einmal mehr mit ihrer Hilflosigkeit konfrontiert. Doch die Einsicht in die eigene Unfähigkeit zu handeln weicht bald dem Gefühl, dass man nur gemeinsam aus der Bar und voneinander loskommt. Und weil ein schwarzes Schaf die Moral der Truppe stärkt, wird Dogges Verhalten kurzerhand als disziplinloses Versagen und damit als Verrat deklariert. Der so ausgemachte, schlafende Verräter wird auf dem Boden gefesselt.

Interpretatorische Kurzfassung: Eine "geschlossene Gesellschaft" wartet auf Godot und vetreibt sich die Zeit mit gruppenpsychologischem Gummitwist. Feder, der Ich-Erzähler, erscheint dabei zunehmend als moralisches Leichtgewicht. Ein Ja-Sager, der nichts tut, aber auch nichts dagegen. Und wenn er zwischendurch einen Blick über die Schulter, in die Vergangenheit wirft, werden die Konturen seiner Profillosigkeit nur umso sichtbarer. Trotz aller unsympathischen Windigkeit ist er aber auch noch so stinknormal, dass nicht zu erwarten ist, dass seine Charaktermetamorphose in der kranken Wahnhaftigkeit eines Charles Manson endet. Beatles hin oder her!

55 von 158 Seiten

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