22.11.2007 / 20:53 / Kathrin Passig liest: Alles (von allen)

Tex Rubinowitz: Das staubige Tier (13-40)

Klaus Nüchterns Vorwort zu Das staubige Tier überblättere ich vorsichtshalber, denn was kann in so einem Vorwort schon drinstehen? Am Ende müsste ich Kritik an Klaus Nüchtern üben, was undankbar wäre, da er mir 2006 durch seine Klagenfurtjurorentätigkeit zu immerhin einem Neuntel von sehr viel Geld verholfen hat. Nebenbei auch 2007 zu einer Steuernachzahlung von wiederum einem Neuntel von fast genauso viel Geld, denn Preisgelder sind steuerpflichtig, wenn sie nicht für das Lebenswerk verliehen werden. Meine Argumentation "Wenn ich nie wieder was schreibe, ist das mein Lebenswerk" stiess bei der Steuerberaterin auf taube Ohren, und so werden von den Geldern der Kärntner Steuerzahler jetzt in Neukölln Gehsteigplatten verlegt.

An Tex Rubinowitz dagegen darf ich Kritik üben, denn er hat das gern und kann zu diesem Zweck stundenlang nachts in verrauchten Chatklausen herumpöbeln. Wo andere Menschen von Kaffee angetrieben werden, von Ehrgeiz oder von Angst, da strömen durch die Psyche von Tex Rubinowitz giftige Industrieabwässer, an die er sich angepasst hat wie ein Bakterium an Batteriesäure. Deshalb verschweige ich hier, dass Das staubige Tier ein ausgezeichneter Wienführer ist, das steht sowieso schon alles in Aleks Scholz' Rezension des Buchs. Stattdessen möchte ich Individualismus und Distinktionsgewinnlertum verteufeln, die wie ein Pesthauch durch dieses Buch wehen. Im ersten Text "Die Fliege" beklagt der Autor, dass immer alle die Mona Lisa sehen wollen, er selbst hat natürlich "ein bestimmtes Bild, das ich immer wieder und immer wieder gern aufsuche, nur kennt das kein Schwein, weil es so versteckt ist und ein einsames Dasein fristet", winzig klein ist das Bild natürlich auch, aber es reicht noch nicht: "Die Sensation, das eigentlich Grossartige an diesem Bild ist aber eine winzig kleine Fliege auf seinem Wams (...) keinem Menschen fällt sie auf." Da muss erst der sensible Wahrnehmer Rubinowitz kommen.

Im zweiten Text geht es ums "einsamste Museum Wiens": "Seit zwanzig Jahren warte ich nun schon, dass da mal einer reingeht. Gesehen habe ich, ausser mir, noch nie einen." Der dritte und vierte Text untergraben meine Vorwurfspläne erst mal durch Makellosigkeit, aber gute Vorwurfspläne halten das aus, so schnell gebe ich nicht auf. In #5 interessiert sich der Autor "für Eier", na gut, übertriebenen Distinktionswunsch kann man ihm dafür nicht unterstellen, es geht nicht einmal um Kreuzkröten-, sondern um ganz normale Hühner- und Enteneier. Auf Seite 38 können wir ihn in einem chinesischen Lokal ertappen, das "naturgemäss von Restaurantkritikern gemieden wird", aber die Beweislage dünnt sich jetzt gefährlich aus. Gerade als ich aufgeben will, beginnt Text #8 mit "Wenn für die Bevölkerung die Badesaison beginnt, nämlich am 1. Mai jeden Jahres, ist sie für mich zu Ende, weil ich Kaltschwimmer bin. Warmes Wasser interessiert mich einfach nicht ..." Weiter kann ich der Sache nicht nachgehen, ohne meinen Nur-den-Anfang-Lese-Vorsatz zu gefährden, weil das Buch so dünn ist, dass ich dann schon fast am anderen Ende wieder herauskäme. Um nicht als individualismuszerfressenes Wrack wie Tex Rubinowitz zu enden, werde ich in nächster Zeit therapeutische Massnahmen ergreifen, die Mona Lisa gut finden und täglich warm baden.

Fundort: Unter dem Laptop von Aleks Scholz, rechte Seite ("wegen der Kühlung")

Prokrastinationsbuch: 13 von 200 Seiten geschrieben.