17.11.2007 / 22:06 / André Fromme liest: Esra (Maxim Biller)

Esra (Maxim Biller) (0-8)

Gar nicht so einfach, ein Einstiegssatz zu diesem Buch, man will ja partout nicht im Stereotyp versinken.
Versuchen wir es hiermit: »Esra« zu lesen ist für mich ein Experiment. Das freut sicher zu lesen, da denkt man direkt an Zwölftonmusik und andere Annehmlichkeiten des täglichen Lebens. Wenn ich jetzt auch noch erwähne, dass ich ein verbotenes Buch lesen werde, sollten mir die Massen der 'In' Crowd ja eigentlich direkt zu Füssen liegen. Experimente mit verbotenen Substanzen, yeah. »Esra« also, frisch wirklich endgültig verboten1.

Durch das Verbot weiss man nun relativ genau Bescheid, dass Monsieur Biller in diesem Buch den geforderten, nötigen und gebotenen literarischen An- und Abstand zum Objekt seines Werkes vermissen lässt. Das lassen viele, aber Biller gibt sich laut Gerichtsentscheid nicht einmal eine Art Mindestmühe dabei, wenigstens notdürftig zu verschleiern, wer denn gemeint ist. Als frisch gebackener ehemaliger Medienwissenschafts-Nebenfachler mit entsprechend halbseidenem Halbwissen fühle ich mich berufen wie sonst kaum jemand, »Esra« zu lesen und herauszufinden, wie sich dieses Buch nach der vorangegangenen Diskussion liest, bzw. ob man es überhaupt noch lesen kann. Damit kann ich mich auch schön zwischen die Stühle setzen, denn mit unsolidem Ex-Nebenfach-MeWi-Wissen nervt man das gemeine Volk (»What the fuck is Medienwissenschaft?«) vermutlich ebenso sehr wie den gemeinen echten Medienwissenschaftler.

Das Buch2 macht einem den Einstieg leicht: die ersten 8 der 213 Nennseiten des Buchs werden darauf verwendet, dem Leser mitzuteilen, wie das Werk, das er gerade in der Hand hält, eigentlich heisst. Ich finde es irgendwie sehr beruhigend, auf drei aufeinanderfolgenden Seiten »ESRA« zu lesen. Das gibt einem Zeit, ein bisschen Vorfreude zu entwickeln und ein angenehmes Kribbeln im Nacken zu bekommen. Vielleicht ist mir so häufige Titelnennung bei anderen Büchern bisher auch schlicht nicht aufgefallen, weil ich sie nicht mit so viel Aufmerksamkeit für solche Oberflächlichkeiten gelesen und betrachtet habe. Egal – danke an den Setzer für diesen schönen Einstieg ins Buch. Schon jetzt volle Punktzahl in der B-Note, auch weil das Buch in der an und für sich ganz hübschen »Stempel Garamond« gesetzt ist.

Der eigentliche Romantext beginnt auf Seite 9 – womit dieser Beitrag abbricht, denn ich habe noch gar nicht angefangen zu lesen.

Um letztlich noch das Plansoll an Lesemaschine-Selbstreferenzialität zu erfüllen, hier noch eine Fussnote mit organisatorischen Erläuterungen: 3.

1Wie man so sagt – Klaus Manns »Mephisto« wurde auch 1966, jedenfalls in der Bundesrepublik, verboten und ist schon seit einer Weile wieder verfügbar.

2Dank gebührt einer ehemaligen Studienkollegin, die selbstlos ihre »Esra«-Erstausgabe an mich verliehen hat.

3Ein »Buch kaufen und selber lesen«-Link ist für verbotene Bücher aus naheliegendem Grund nicht möglich. Um dem Leser trotzdem die Möglichkeit zu geben, sich dem Grundbedürfnis Konsum hinzugeben, führe ich die Rubrik »Bei der Lektüre gehört und für empfehlenswert befunden« ein, in der es Kaufempfehlungen für die hochnotsuperen Musikalben gibt, die jeweils bei der Lektüre gehört wurden. Frohlocket!



Bei der Lektüre gehört und für empfehlenswert befunden:
Dieses Mal ist der Rubrikname noch leicht gelogen, denn gehört habe ich diese Alben in Wirklichkeit nicht beim Durchblättern der Seiten, auf denen »ESRA« steht, sondern während ich diesen Beitrag verfasst habe.
Spoon – Gimme Fiction (2005)
Future of the Left – Curses! (2007)


Kommentar #1 von Frau Grasdackel:

Maxim Biller selbst hat das Verbot des Buches verdient, das Buch an sich wahrscheinlich nicht. Spoon ist echt gut, Future of the Left nicht so.
[Bin von beiden eigentlich ähnlich angetan; aber ist natürlich beides auf komplett anderen Spielfeldern unterwegs, ich weiss. AF]

18.11.2007 / 05:58

Kommentar #2 von karlmarxstrasse.blogsport.de:

Mephisto war natürlich nur im Westen verboten. 1956 ist er im Osten (bei Aufbau) erschienen, und war durchgehend "drüben" bis zur Wende erhältlich...
[Danke für den Hinweis, hab das mal entsprechend kurz angemerkt. AF]

20.11.2007 / 16:25