16.11.2007 / 16:24 / Kathrin Passig liest: Alles (von allen)

Douglas Coupland: jPod (1-555)

Ich weiss nicht, was die Leute denken1, wenn man öffentlich auf Buchseiten starrt, die nur fünfstellige Zahlen enthalten. Auf Seite 257 bis 279 von JPod sind alle Primzahlen zwischen 10.000 und 100.000 aufgeführt2. Angeblich ist eine einzige Nichtprimzahl darunter, und das kann ja wohl nicht so schwer sein. Der Erzähler Ethan hat sie schliesslich auch in unter fünf Minuten gefunden. Man muss nur die Stelle suchen, an der jeder normale Mensch die Primzahl einschmuggeln würde, also von hinten bis dahin blättern, wo die Von-Vorne-Sucher schon aufgegeben haben und dann noch etwas weiter, weil Douglas Coupland es seinen Lesern sicher nicht so einfach machen will. Also Seite 272. Zweite Annahme: Die Nichtprimzahl ist gerade, alles andere wäre zu gemein. Ich lese alle Endziffern auf Seite 272, na gut, die meisten. Hm.

Es muss anders gehen. Welche Zahlen zwischen 10.000 und 100.000 sind für Programmierer (von denen das Buch handelt) naheliegende Zahlen? Kein Erfolg bei 16384, 32768 und 65536.

Es muss noch anders gehen. Vielleicht ist die falsche Primzahl gar nicht gerade, aber man kann seine Augen einfach entspannt über die Seiten 257 bis 279 schweifen lassen und sich auf die eingebaute Mustererkennung des menschlichen Gehirns verlassen?

Auf dem Bahnsteig geht ein British-Rail-Angestellter mit einer Müllaufhebezange vorbei. Es gibt auf britischen Bahnhöfen keine Mülleimer, man wirft seinen Müll einfach irgendwohin. Ich habe das seit Februar für typisch britischen Mangel an Benutzerfreundlichkeit gehalten, eine nicht so abwegige Idee in einem Land, in dem man die Fenster der Züge herunterkurbeln muss, um von innen die aussen angebrachte Klinke zu bedienen. Erst im September wurde ich darüber aufgeklärt, dass die Mülleimer aus Bombengründen fehlen. Sie fehlen auch auf Bahnhöfen, die nicht direkt als internationales Dreisterne-Terrorziel gelten, etwa in Perth. Corrour Station dagegen durfte den Mülleimer behalten, und wenn mir die Gesellschaft dumm kommt, sprenge ich eines Tages Corrour Station in die Luft, see if I don't. Der Müllaufhebemann pfeift eine Melodie und lässt dazu die Zange in die Luft beissen. "Clamp clamp clamp!", singt die Zange tatendurstig, "oooh! Clamp this, clamp that, badda-climp, badda-clamp!" Ich gebe auf.

1Vermutlich gar nichts.

2Später folgen noch 972 im Englischen zulässige dreibuchstabige Scrabbleworte (Seite 292-296), unter denen sich ein illegales versteckt, die ersten hunderttausend Stellen von Pi, die einen einzigen Fehler enthalten (Seite 408-435), 58.894 Zufallszahlen, unter denen sich ein O statt einer 0 verbirgt (Seite 436-463) sowie eine Seite (471) Code in einer mir unbekannten Sprache. Ich lerne daraus zweierlei: Erstens darf man als berühmter Autor offenbar fast alles, und zweitens ist es eine schlaue Idee, auch lange if-Bedingungen in einer Art, na, sagen wir mal erweiterten K&R-Style zu formatieren und multiple Bedingungen dabei jeweils auf neue Zeilen zu setzen. Ich mache das einfach ab jetzt so und denke dabei an Douglas Coupland.



Prokrastinationsbuch: 10 von 200 Seiten geschrieben.