14.11.2007 / 14:01 / Ruben Schneider liest: Meditationen (Descartes)

Gottesbeweis (98-103)


Scholastik heute
Als ob es nicht schon spooky genug wäre, jetzt kommt auch noch ein Gottesbeweis in der 3. Meditation.

Aber so abwegig ist das nicht: Descartes hat die Existenz seines Ich gezeigt. Die Aussenwelt wird aber weiterhin möglicherweise von einer mächtigen betrügerischen Matrix vorgegaukelt. Will er die Existenz der Aussenwelt beweisen, muss er die Matrix aushebeln. Das kann man mit Cyberwaffen machen, oder, wenn man sein vielleicht doch real existierendes Mobiliar schonen will, folgendermassen: Man muss beweisen, dass es etwas gibt, das gewaltiger als die Matrix ist, das wahrhaftig ist und das von seiner Beschaffenheit her keine Möglichkeit mehr zulässt, dass es etwas Mächtigeres als es selbst geben kann: Gott. Dann schaut die Matrix alt aus.

Wenn Sie Atheist sind, dann keine Sorge jetzt: Die 3. Meditation ist nicht so eine Kinderei wie das heutige Kreationistenzeug. Es ist ein scholastischer Gottesbeweis nach allen Regeln der Kunst: Gedankenanalyse, Kausalprinzip, Syllogismen ... Wenn sie jedoch gläubig sind, dann legen Sie sich schon mal die Rufnummer der Telefonseelsorge bereit. Denn der in dieser Meditation aufgezeigte Gottesbegriff ist etwas ganz anderes als das, was man landläufig in zumeist einfacheren religiösen Kreisen als "Gott" untergejubelt bekommt (z.B. dass Gott irgendein Objekt mit Superkräften ist, das irgendwo ausserhalb der Welt in einer Art Himmel sitzt und von dort aus permanent in die Welt reinpfuscht. Oder überhaupt, dass Gott eine Entität sei, ein Seiendes unter anderen Seienden). Klassische Gottesbeweise beweisen nämlich auch, was Karl Rahner einmal erleichtert feststellte: Zum Glück existiert das, worunter sich die meisten Menschen Gott vorstellen, tatsächlich nicht.

Die 3. Meditation ist ein ziemlich wuchtiger Gedankenklotz. Es gibt heute zu diesem Beweis wie zu jedem alten Gottesbeweis riesige Rekonstruktionen mit Hilfe mathematischer Logik. Das ist zwar spannend, aber vor allem auch eine moderne Fortführung der scholastischen Logikwut. Das Wichtigste ist, glaube ich, das Tiefenargument des Beweises zu finden. Das kann man vor allem auch leichter behalten als komplizierte Formallogik. Die überzeugendsten Beweise, egal für was, sind immer diejenigen, die so kurz sind, dass man am Ende des Beweises noch weiss, worum es am Anfang ging.

Doch dazu in der nächsten Sendung.

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