12.11.2007 / 16:08 / Jan Bölsche liest: Mecki im Schlaraffenland (Eduard Rhein)

Hat auch eine harte Tür: die Grenze zum Giraffenland (Foto: regular)Wir schreiben das Jahr 1952 und Eduard Rhein "Mecki im Schlaraffenland". Die Sowjetunion befindet sich offiziell noch immer im Kriegszustand mit Deutschland, stellt Zäune an der Zonengrenze auf und montiert Alarmanlagen. Das Amt des Bundeskanzlers der BRD ist eben erst erfunden und mit Konrad Adenauer besetzt worden. Der entdeckt das stets zielführende Konzept "Sprich nicht mit den Schmuddelkindern" für die deutsche Aussenpolitik und schreibt es drei Jahre später in der Hallstein-Doktrin fest, die besagt, dass die BRD es blöde fände ("acte peu amical") wenn andere Länder diplomatische Beziehungen mit der DDR aufnehmen würden. Kalter Krieg heisst diese Innovation.
Niemand – also echt jetzt – hatte damals die Absicht, eine Mauer aus Honigkuchen zu errichten.
Genau vor der stehen jetzt aber Mecki, seine sieben echt syrischen Goldhamster und auch noch zwei walking-talking Teddybären, deren Existenz mir bislang irgendwie entgangen war. Diese munteren Ausflügler sehen sich nun mit der schlaraffischen Einwanderungspolitik konfrontiert. Diese steht jener der Schweiz in nichts nach, wie durch ein Gebirge aus Hirsebrei, das das Staatsgebiet zusätzlich umschliesst, recht unsubtil angedeutet wird.
Es gilt unter Beweis zu stellen, das Appetit und Schlafbereitschaft der Einreisewilligen den schlaraffischen Standards genügen, da ansonsten eine Unzufriedenheit der Neuankömmlinge über das allgemeine Arbeitsverbot im Lande zu befürchten wäre. Diese Sorge ist nicht ganz unberechtigt, wie uns Ferriss lehrt: Auf seiner Suche nach dem Rezept zum Glücklichsein identifiziert er zunächst das Gegenteil von Glück, um es ausmerzen zu können. Und das Gegenteil von Glück sei nicht etwa Unglück, sondern Langeweile. Ferriss betont daher ausdrücklich, es sei unabdingbar, einen Plan zu haben, was man mit der vielen freien Zeit anfangen wolle, wenn es erst gelungen sei, das nötige Arbeitspensum auf 4 Stunden die Woche zu reduzieren.
Noch vier Wochenstunden mehr haben Mecki und seine Freunde jenseits der Grenze zu füllen. Und zwar mit Essen und Schlafen, denn alles andere ist verboten.
Totalitäre Staaten klären die Tauglichkeit potenzieller Staatsbürger noch vor Ort an der Grenzanlage. Das ist elegant und spart Unkosten. So macht es zum Beispiel Robot Planet:
Robot #1: "Administer the test."
Robot #2: "Which of the following would you most prefer? A: a puppy, B: a pretty flower from your sweety, or C: a large properly formatted data file?"
Robot #1: "Choose!" (Leela and Fry whisper)
Fry: "Uh, is the puppy mechanical in any way?"
Robot #2: "No, it is the bad kind of puppy."
Leela: "Then we'll go with that data file!"
Robot #2: "Correct."
Robot #1: "The flower would also have been acceptable."
Robot #2: "You may pass."
(Futurama – Fear of a Bot Planet)
Im Falle des Schlaraffenlandes spart man zusätzlich noch Personalkosten, indem man die Grenze gleich als essbaren Einreisetest anlegt. Zugegeben: die Schlaffähigkeiten bleiben ungetestet. Und wer mal zwei Sekunden darüber nachdenkt, erkennt, dass man eine mit Hirsebrei gefüllte Hohlwand aus Honigkuchen auch überwinden kann, ohne dabei eine einzige Kalorie zu sich zu nehmen. Mit Fleiss und Arbeitseifer nämlich. Wir haben es hier mit einem fundamentalen Designfehler zu tun.
Das fällt ihm auch gerade auf, als er versonnen auf die beiden bereits friedlich schlafenden Kinder im Gitterbett blickt. Walter Ulbricht klappt vorsichtig das Igel-Buch aus dem Westen zu und blickt noch eine Weile gedankenverloren auf die Gitterstäbe, die die Kinder umschliessen: Eine Mauer. Die Idee ist so schlecht nicht. Aber aus Honigkuchen?