10.11.2007 / 05:48 / Kathrin Passig liest: Alles (von allen)

Christian Kracht: 1979 (17-31)

Es waren jetzt noch zwei Stunden. Ich hätte arbeiten können, aber das lohnte wohl kaum. Stattdessen griff ich zu einem Buch. Es war "1979" von Christian Kracht. Keine Ahnung, wie ausgerechnet dieses Buch in meinen Besitz gelangt war. Ich würde es aufschlagen und zwanzig Seiten darin lesen. Danach waren es bestimmt immer noch fast zwei Stunden. Vielleicht würde ich dann arbeiten.

Es wurde in Hotelzimmern herumgelegen in dem Buch. Jemand hatte nässende Beine. Das mit dem Herumliegen konnte ich gut nachvollziehen, das mit den Beinen nicht so. Die Menschen trugen Sachen von Berluti und Pierre Cardin. Jetzt fiel mir alles wieder ein. Es war viel Markenkleidung getragen worden in diesen Büchern aus den 90ern, wahrscheinlich alles wegen Bret Easton Ellis. Aber damals hatte ja sogar ich noch Romane gelesen, vielleicht waren die Autoren deshalb einfach ungeheuer reich gewesen und hatten sich nicht anders als durch den Kauf von Markenkleidung zu helfen gewusst. Das ging dann sicher in Ordnung. Ich blätterte um.

Andere, jetzt fiel mir auch das wieder ein, hatten sich dann darüber lustig gemacht. Susanne Fischer zum Beispiel. Sie hatten selbst Texte geschrieben, in denen viel Markenkleidung getragen wurde. Dabei war man noch lange nicht Kracht und reich, nur weil man kurze Sätze schrieb, in denen nicht viel passierte. Das stellten sich die Leute nur so einfach vor. Meine Schuhe waren von Skechers, ich hatte sie am neuen Berliner Hauptbahnhof gekauft, der jetzt auch schon gar nicht mehr so neu war. Ob Skechers so etwas war wie Berluti und Pierre Cardin oder mehr so wie die Hausmarke von Deichmann, wusste ich nicht so genau. Zwar wurde in der Neuköllner U-Bahn dafür geworben, aber für Deichmann auch, das half mir also nicht weiter.

Immerhin spielte das Buch nicht in Berlin. Dafür war ich Kracht schon mal dankbar. Vielleicht würde sogar etwas darin passieren, später. Nicht dass ich vorgehabt hätte, so weit zu lesen. Schliesslich hatte ich zu tun, und bald würde ich auch damit anfangen.

Fundort: Bücherstapel im Haus der Frohen Zukunft

Prokrastinationsbuch: 8 von 200 Seiten geschrieben.


Kommentar #1 von fortschritt.tv:

Muss der Leser das Wort Prokrastination nun schon selbst schreiben? ...in die Kommentare?
Und warum in einem Buch lesen, von dem man schon alles zu wissen scheint?

10.11.2007 / 23:14

Kommentar #2 von Kathrin:

Erstens weiss Ruben Schneider ja wohl auch schon alles über Descartes. Und zweitens schien es vielleicht nur so. Heimlich habe ich das Buch nämlich zu Ende gelesen und siehe da, alles kam ganz anders.

10.11.2007 / 23:16

Kommentar #3 von fortschritt.tv:

Danach waren es bestimmt immer noch fast zwei Stunden.

10.11.2007 / 23:19

Kommentar #4 von schuehsch:

Na, das Buch hat man doch locker in zwei Stunden gelesen. Das ist voll die Mogelpackung (vom Druck her) 5 cm Rand zu allen Seiten, dreizeilige Absätze und ähnliche Spässe.
Bei Cornflakes steht wenigstens immer drauf, dass die Füllhöhe schwanken kann.

11.11.2007 / 23:43