04.11.2007 / 23:49 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Zahlen, bitte (51-70)


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Brahmagupta. Brahmagupta. Wenn ich jemals einen Sohn haben werde, soll er Brahmagupta heissen, denn Brahmagupta war der Mann, der die Null erfunden hat. "Sohn! Du heisst wie der Mann, der das Nichts erfunden hat", werde ich ihm sagen, während es ihm etwas schwerfällt, das Bonbon aus dem goldenen Papier zu wickeln, "deshalb soll nichts dein Lebenszweck sein." Und dann löst er sich in Luft auf und wieder stehe ich kinderlos da, und verbringe meine Abende damit, auf den Spielplatz zu starren, der gegenüber in der tiefstehenden Sonne verheissungsvoll glitzert.

Heute wieder drei Dinge weggeworfen: zwei nicht-laminierte Landkarten (sinnlos im Regen) und einen Folder mit Powerpoint-Dateien (sinnlos überall). Damit beläuft sich die Anzahl der Dinge, die ich besitze, nur noch auf 956, und ich kann berichten, dass es ein besonderes Hochgefühl neulich war, als ich die tausend unterschritt (ich musste dafür mein eigenes Buch verschenken). 956 also. In meinem Universum gibt es nur noch 956 natürliche Zahlen, und es werden täglich weniger. Alle natürlichen Zahlen grösser 956 haben hier absolut keinen Sinn mehr, sind blosse Fiktion, ohne jeden Bezug zur realen Welt – meiner realen Welt. Draussen im Dunkeln lauert alles ab 957.

Seit neuestem (Seite 64) bin ich übrigens in der Lage, alle diese 956 Zahlen aus dem Nichts zu erschaffen. Hier das schlichte Rezept zur Zahlenerfindung: Man beginne mit der leeren Menge, also einer Menge, die kein einziges Element enthält. Baut man jetzt eine Menge, die nur die leere Menge enthält, so hat man eine Menge mit genau einem Element mehr als in der leeren Menge. Jetzt hat man aber schon zwei Mengen, die leere, und die, die als einziges Element die leere Menge enthält. Fasst man beide zusammen, hat man eine Menge mit zwei Elementen. Womit man aber schon drei Mengen hat, nämlich die leere, die, die die leere enthält, und die, die die leere und die, die die leere enthält, enthält, was man wieder in einer Menge zusammenfassen kann, die dann schon drei Elemente hat. Und so geht es immer weiter, bis man zu einer Menge kommt, die 956 Elemente enthält, und ab dem nächsten Schritt tauchen Tiere mit glühenden Tentakeln auf und Risse bilden sich im Fussboden.

No half measures steht auf jeder Dose des britischen Energiegetränks Relentless (ausserdem: Suffer for your art! Hello to the grind! Und weiterer Quatsch.). Absurde Vorstellung, dass man Getränke nur in ganzzahligen Mengen zu sich nehmen kann. No half measures – das ist jetzt seit den Griechen, die verdutzt auf die Wurzel aus zwei starrten und ihren Kram deprimiert einpackten, der hinterletzte Versuch, den Eintritt von Fliesskommazahlen in die Wirklichkeit zu verhindern. Nobody ever said it would be an easy ride! Man muss sich eben unrealistische Ziele setzen. Unendlich viele Kommazahlen kommen mir jedenfalls nicht ins Haus; die muss man beim Umzug dann doch nur durch die Gegend tragen.

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Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Buch kaufen und selber lesen