03.11.2007 / 13:07 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Ein sehr altes Theorem (25-50)


Elliptische Geometrie (in 2D): Nur kleine Dreiecke, z.B. in Japan, haben noch korrekte Winkel. (Quelle, Lizenz)
Euklid ist ein Idiot. Ein ganzes Postulat verbraucht mit der Aussage, dass alle rechten Winkel gleich sind, was für eine Verschwendung. Dabei hatte er nur fünf! So nützliche Dinge hätte man in das vierte Postulat stattdessen stecken können. Schön wäre es zum Beispiel, gäbe es heute ein Euklidsches Postulat, das Nachtspeicheröfen als einen Goldstandard für fehlende Logik einführt (liefern Hitze, wenn man sowieso im Bett liegt), so dass man jede in der Welt auftretende Logik in negativen Nachtspeicheröfen messen könnte. Aber nein: Alle rechten Winkel müssen unbedingt gleich sein.

Als ich Roger Penrose zum ersten Mal missbrauchte, war ich genauso ein Idiot wie Euklid. Noch nicht ganz geheilt von der festen Überzeugung, zum einen unsterblich, zum anderen das nächste grosse Ding zu sein, stieg ich voll in die Kosmologie ein und hatte nach drei Schritten im Sumpf die Schnauze voll, eine Erfahrung, die mir viel später in den schottischen Highlands noch nützlich sein sollte. Zum Glück hatte ich es vorher schon geschafft, unter wohligem Schaudern eine Passage aus Penroses Computerdenken in meinem allerersten Liebesbrief zu zitieren, dessen Anlass und Folgen allerdings weniger wohlig waren. Die Passage steht auf derselben Seite wie Gödels Satz, der mich leider bald wieder einholen wird (S. 379 laut Index). Im Gegensatz zu Hawking schien mir Penrose damals tatsächlich mehr Mensch als Freak zu sein; ich meine, er kann laufen, essen, bewegt sich normal und braucht keine Computerstimme, um Vorträge zu halten. Niemand konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass er gut zehn Jahre und einen halben Liebesbrief später die Welt in einem papiernen Ziegelstein erklären würde.


Hyperbolische Quadrate: schief und krumm (Quelle)
What is a 'square' after all? (zwei Seiten später) So, it is indeed true that we can prove (...) that squares (...) actually do exist. Was passiert eigentlich mit Quadraten, wenn man das Licht ausmacht? Ah, sie verschwinden, es sei denn, sie sind nachtleuchtend wie der Basketballkorb an der Tür. Voll interessant. Verdammt, fuck, fuck, fuck, ich komme so nicht weiter. Wir brauchen dringend noch nichteuklidische Geometrie, für die wir wiederum das fünfte Euklidsche Postulat brauchen, das zur Abwechslung brauchbar ist und in abgewandelter Form ungefähr so aussieht: Stelle man sich eine Gerade vor und daneben einen Punkt. Dann, so Euklid, und ich gebe ihm da recht, gibt es durch diesen Punkt genau eine andere Gerade, die zur ersten Geraden parallel ist. Mit diesem Postulat kann man schöne Dinge bauen, Quadrate zum Beispiel, Häuser, Billy-Regale oder den Satz des Pythagoras, aber jetzt kommt's: Es gilt nur in einem speziellen Universum mit euklidischer Geometrie, und wir wissen noch nicht so genau, ob wir in so einem wohnen. Solange das nicht klar ist, bleibt die Existenz von Billy-Regalen pure Spekulation.

Die unendlichfach denkbaren nichteuklidischen Geometrien zeichnen sich dadurch aus, dass Parallelen keine Parallelen sind, die Dreieckswinkel sich nicht zu 180 Grad addieren und auch sonst alles schief und krumm aussieht. Der Satz des Pythagoras gilt dort übrigens auch nur noch für sehr kleine Dreiecke. Am besten kann man sich diesen Kram vorstellen, wenn man den Raum lokal krümmt, je nach Vorliebe entweder nach aussen (elliptisch) oder nach innen (hyperbolisch). Man erkennt, dass es bei nichteuklidischer Geometrie schwerfallen könnte, ein brauchbares Haus zu konstruieren. Schottland ist ein zutiefst nichteuklidischer Ort.

50 von 1049 Seiten

Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (3) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von astrid:

Mich wuerde ja interessieren, ob das Konzept Liebesbrief ueberhaupt schon jemals jemandem was geholfen hat.
Ich habe zwei Liebesbriefe geschrieben in meinem Leben, und natuerlich schreibt man sowas erst, wenn die Lage aussichtslos ist und man, weil man das Hoffen ja nicht einstellen kann, eben hofft, mit einem dermassenen Gewaltakt den anderen doch noch zwingen zu koennen, Ziel ist, das Ruder mit der staerkeren Willenskraft noch einmal herumzureissen, klappt natuerlich nicht, nie, und man hat es immer vorher schon gewusst.

03.11.2007 / 16:15

Kommentar #2 von Ein ebenfalls oft vergeblich Liebender:

unbekannte astrid, wie kommen Sie von der Mathematik auf unglückliche Liebe und die Vergeblichkeit des Schreibens solcher Briefe? Hatten Sie, als tertium comparationis das Stemmen überschwerer Gewichte im Auge?

07.11.2007 / 16:56

Kommentar #3 von Aleks:

Ich spekuliere mal, sie hat obigen Text gelesen, in dem die Verbindung glasklar ist. Sollten Sie vielleicht auch mal tun.

07.11.2007 / 21:05