18.02.2008 / 15:17 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Unordnung und frühes Leid (735-781)


Universum nach Hindu. Quelle, Lizenz
Kapitel 28, Spekulative Theorien über das frühe Universum, Gemüt irgendwo zwischen überschäumender Begeisterung und Verzweiflung, eine Geisteshaltung, unter der ich seit Jahren leide. Es kommt nicht sehr überraschend, dass unser Wissen über das frühe Universum von zumeist spekulativem Charakter ist, ich meine, es ist viele Milliarden Jahre her und alle Augenzeugen sind mittlerweile tot. Wir wissen ja nichtmal, wer Stonehenge gebaut hat und warum er dies tat, und das war praktisch vorgestern.

Vor ein paar Jahren erklärte mir David Spergel, warum das frühe Universum soviel interessanter ist als der Rest der Astronomie. Man könne neue Physik entdecken! Neue Physik! Ansonsten wäre ja alles schon bekannt. Neue Physik! Ich war kurz neidisch auf die Kosmologen. Aber dann fiel mir auf, dass Spergel lügt. Die Physik zu verstehen ist leider nur der erste Schritt. Ganz oft ist die Physik zwar alt und bekannt, wir wissen aber nicht, welche gerade im Einsatz ist. Seit Jahren z.B. Schlafstörungen, weil ich nicht herausfinden kann, welche Physik hinter der merkwürdig schnellen Rotation von Braunen Zwergen steckt. Im Vergleich zu Spergel und Penrose kommt man sich vor wie das Kriegsweib, das hinter der Front zwischen neuer und alter Physik herzieht, und versucht, anhand der Schützengräben und zerschossenen Leiber die Eiszeiten zu verstehen.


Universum nach WMAP.
Credit: NASA/WMAP Science Team
Je mehr Seiten Penrose vollschreibt, je weiter er sich wegbewegt von den etablierten Wundern der Vergangenheit und vordringt in die Abgründe des Hypothetischen, umso mehr wird er gezwungen, Stellung zu beziehen. Penrose ist ein zutiefst unmodischer Mensch, alle theoretischen Ins der letzten zehn Jahre bewirft er mit Skepsis und Misstrauen. Eine offene Aversion scheint er zu hegen gegen Inflation und gegen spontane Symmetriebrechung im frühen Universum, nagut, wer wollte ihm das vorwerfen, es sind unsympathische Sachverhalte, so oder so. Immer mehr wird aus dem festen, sicheren Gerüst, mühevoll konstruiert über viele hunderte von Seiten, ein wackeliges Kartenhaus, das auf die Quantengravitation wartet. Am Ende wird sich herausstellen, dass die Welt eben nichts anderes ist als ein Kartenhaus, und dann hatten wir die ganze Zeit recht mit unserer Unkenntnis.

Zum Schluss der Sendung jetzt noch die Auflösung des Wochenrätsels. Wenn die abartige Unwahrscheinlichkeit der Existenz des Universums und damit der Menschheit ein Beweis für einen Schöpfer sein sollte – think again. Wenn nur die Erschaffung des Menschen das Ziel des Schöpfers wäre, warum baute er dann ein so riesiges Universum um uns herum? Ein paar Galaxien hätten gereicht, vielleicht ein paar Millionen Galaxien, damit es nicht langweilig wird. Ein kleineres Universum wäre deutlich leichter zu erwürfeln als ein grosses, potzblitz, man könnte ein Tausendstel des Universums einfach tausend mal erzeugen, das wäre immer noch um so vieles ökonomischer. Und wir hätten erst mit der Erfindung des Hubble Space Telescope etwas davon gemerkt. Vielleicht wollte ER nicht den Menschen, sondern das Hubble Space Telescope erschaffen? Und ihm gleich einen Lebenszweck liefern? Man könnte so viele Probleme lösen, wenn man einmal, ein einziges Mal, nicht erstmal davon ausgeht, dass es um uns geht.

Sondern um SIE.

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Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (30) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von Super Effekt:

Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.

18.02.2008 / 18:37

Kommentar #2 von Tim Brenner:

Wahrscheinlich ist die abartige Grösse des Universums gerade ausreichend, um unsere abartig unwahrscheinliche Existenz zufällig zu erzeugen.
Vielleicht ist die Grösse aber auch eine Art Rechtfertigung für die Unwahrscheinlichkeit. Beides spricht aber für einen Creator, sorry.

18.02.2008 / 21:00

Kommentar #3 von Aleks:

Nein, die Unwahrscheinlichkeit ist eine Folge der Groesse. Waere es kleiner, dann waere es weniger unwahrscheinlich, steht doch da. Der erste Gedanke gefaellt mir besser, das Universum so gross getunt, um exakt eine Menschheit zu erzeugen. Stimmt zwar wahrscheinlich nicht, klingt aber gut.

18.02.2008 / 23:13

Kommentar #4 von Tim Brenner:

Dann hängt womöglich auch unsere Existenz mit dem Kollaps des Universums zusammen. Oder die Erkenntnis dieses Zusammenhangs. Dann müsste die kritische Masse genau...jetzt...erreicht sein.
Jemand mit Kenntnis über die Standorte aller fiesen schwarzen Löcher sollte berechnen, ob unser Planet das letzte ist, was von diesem Universum übrig bleibt – wäre ja nur logisch. Ich bin dazu leider heute Abend nicht mehr in der Lage.

19.02.2008 / 00:00

Kommentar #5 von R.K.S.:

Wer eine Stelle braucht, der kann ohne Skrupel auch den Physikern folgen. Aber genau genommen, darf man den Physikern kein Wort von ihren verbalisierten Erklärungen glauben: Versteht man ihre Mathematik, kann man sich selber einen Reim machen auf Phänomene, aber die Sprache der Physiker hat keine realen Wurzeln in der Wirklichkeit, sondern nur in der Plausibilisierungsfähigkeit der Sprachen.

19.02.2008 / 00:14

Kommentar #6 von Ruben:

Woher wollen Sie wissen, ob die Sprache der Physiker keine realen Wurzeln in der Wirklichkeit (gibt es eigentlich irreale Wurzeln in der Wirklichkeit?) hat? Dazu müssten Sie besser als die Physik wissen, wie die physische Realität beschaffen ist – tun Sie das, Herr Sander? Dass Sie das von sich glauben, könnte ich mir sogar gut vorstellen.

19.02.2008 / 00:35

Kommentar #7 von Aleks:

Und da reitet wieder RK Sander, der Ritter der verzweifelten Suche nach der Wahrheit, ausgehungert und weltverdammend, enttaeuscht von Physik und Gott, auf dem Weg ins Hinterland des leeren Geschwafels.

19.02.2008 / 02:28

Kommentar #8 von Rocket Moneypenny:

I have been following this block since it emerged and I find it interesting but also quite annyoing that this all can't be discussed as we used to sit and talked about books. All this waiting and checking – it's exhausting.

19.02.2008 / 13:21

Kommentar #9 von R.K.S.:

Lieber Ruben,
die beobachtbare Differenz zu "realen Wurzeln" ist nicht "irreale Wurzeln" sondern "keine Wurzeln"; hier liegt Ihr Fehler. Ich kenne die Realität nicht, Sie kennen sie nicht und die Physiker kennen sie auch nicht. Deshalb hat physikalisches Denken seinen Aufstützpunkt für's Nach-Denken in den Phänomenen und eben "keine Wurzeln in der Realität" sondern nur welche – schwache noch dazu – in der Sprache. Alles, was man sagen kann, auch in der Physik, kann man auch anders sagen: Siehe stady-state-theorie gegen big bang usw. Also auch mit Ihrer so betont behaupteten Sicherheit des Gewussten ist es nicht weiter her als mit dem, was ich mir so zusammenreime.
Herzliche Grüsse

19.02.2008 / 14:58

Kommentar #10 von Ruben:

Herr Sander,
1. ich behaupte hier nicht betont die Sicherheit des Gewussten, darüber habe ich kein Wort verloren.
2. Dass man alles auch anders sagen kann, ist kein hinreichendes Argument dagegen, dass die Wirklichkeit sprachlich abbildbar ist. Man kann in verschiedensten Sprachen dasselbe sagen und in derselben Sprache mittels Synonyma u.ä. auch. Ein Argument hingegen wäre viel eher, dass jede physikalische Theorie empirisch unterdeterminiert ist, d.h. dass es zu jedem Set von Messdaten mindestens zwei logisch nicht äquivalente Theorien mit unterschiedlichen ontologischen Voraussetzungen gibt, die das Set erklären.
3. Woher wissen Sie denn, dass die Physik die Realität nicht kennt? Geben Sie mir doch mal Ihr Argument für diese (bis jetzt blosse) Behauptung. Wenn Sie behaupten, dass diese Ihre antirealistische These wahr ist, also reale Fakten wiedergibt, dann müssen Sie ja sehr wohl ziemlich sicher etwas über die Wirklichkeit wissen: Nämlich dass der Antirealismus in der Wirklichkeit zutrifft.
4. Ich weiss nicht, was Sie mit "Differenz" meinen. Einen konträren oder einen kontradiktorischen Gegensatz?

19.02.2008 / 16:19

Kommentar #11 von Aleks:

Ich haette von Herrn Sander gern folgendes Statement erklaert: "Alles, was man sagen kann, auch in der Physik, kann man auch anders sagen: Siehe stady-state-theorie gegen big bang usw."
Steady State und Big Bang sind zwei vollkommen unterschiedliche physikalische Szenarien mit ueberpruefbaren Vorhersagen, ich weiss nicht, was das mit sprachlichen Unterschieden zu tun haben soll.

19.02.2008 / 16:44

Kommentar #12 von R.K.S.:

zu Ruben:
Lassen Sie mich mit Ihrer Ziffer 4. beginnen, (aber kein Gejammer bitte, falls hier dann der Name Luhmann fällt):
Wer unterscheidet, muss bezeichnen: operativ EIN Vorgang. Nach Georg Spencer Browns "Laws of Form" der erste Satz seines Formkalküls: Draw a distinction". Jedes Wort, als Begriff oder Bezeichnung, ist eine Form mit zwei Seiten: sage ich "süss", so habe ich "sauer" (oder: "bitter) sogleich mitgesagt. Dieser Unterschied süss/sauer ist – als Form – eine Differenz, nämlich eine Differenz zwischen der linken, der präferierten Seite (also "süss" im Beispiel) und der anderen Seite (die beim Sprechen/Schreiben gar nicht erwähnt werden muss). Diese andere Seite nennt man – nach Gotthardt Günther – Rejektionswert. Sage ich in einem Kontext "reale Wirklichkeit", ohne den von mir angepeilten Rejektionswert zu nennen, gehen Sie beim "Verstehen" eben ein Risiko ein, wenn Sie mich, den 1. Beobachter, Ihrerseits beobachten und meinen, der gemeinte Rejektionswert wäre "irreale Wirklichkeiten" gewesen. Soviel zur "Differenz" als FORM.
Zu 1.: Wenn Sie die Sicherheit des Gewussten nicht behaupten, brauche ich es doch auch nicht, und dann sollte man dies von den Physikern auch gar nicht erst verlangen. Physiker, als Beobachter 1. Ordnung, ermitteln Phänomene. Andere Physiker, als Beobachter 2. Ordnung beobachten das, was der Erste beobachtet hatte "gegen", das heisst: Er stimmt zu, dann herrscht wissenschaftlicher Friede, oder er interpretiert das Beobachtete eben anders. Es siegt die Theorie, die sich durchsetzt (siehe KUHN).
Zu 3.: Noch nicht einmal die Physiker behaupten, die Realität der Welt oder des Universums zu kennen. Sie kennen eben nur ihre Beobachtungen, dazu passende Theorien als Beschreibungen (Unterscheidungen und Bezeichnungen), und sie reden, wie wir alle reden. Das Wort "Antirealismus" stammt von Ihnen; ich hätte das nie in den Mund genommen. Denn realistisch sind die Aussagen der Physiker schon, man kann ja zum Mond fliegen usw., wenn Sie das "Wirklichkeit" nennen wollen, bitte, ich halte mich da raus und sage eben – mit Luhmann – alles Gesagte kann eben auch anders gesagt werden. Nehmen Sie aktuell das "Gerede" der Gehirnforscher: Keiner kann sagen, was Bewusstsein ist, aber: sie haben schöne Geschichten.
Zu Aleks: Was sind denn "ueberpruefbare Vorhersagen"? Kausalitätsmärchen?, oder plausible Beschreibungen in sprachlichen Kontexten, die statistisch, mit grosser Streuung, "verifiziert" werden ("Wirklichkeit", so lange alle, auf die es in der Branche ankommt, zustimmen?).
Also: Wie man's auch dreht: Physik ist nicht "härter" und "wirklicher" als die "weiche" Soziologie, (Heinz von Foerster).

19.02.2008 / 17:48

Kommentar #13 von Ruben:

Herr Sander,
ad 4.: Ich habe Ihnen eine einfache formallogische Frage gestellt, wie sie jeder, der mal eine Erstsemestervorlesung in Logik als dem Grundhandwerkszeug philosophischen Denkens gehört hat, direkt und ohne Umschweife in die abgehobene Fachwelt beantworten können sollte. Konträrer oder kontradiktorischer Gegensatz? "Süss" und "sauer" sind beispielsweise konträre Gegensätze, keine kontradiktorischen. Der kontradiktorische Gegensatz von "real" ist "nichtreal". Wenn der Ausdruck "reale Wurzeln in der Realität" mir irgendetwas sinnvolles sagen soll, dann auch sein kontradiktorisches Gegenteil, aber ich frage mich, was "nichtreale Wurzeln in der Realität" bitte sein sollten. Mit anderen Worten: Ich behaupte, dass Sie sinnlose Worte verwenden.
Und wenn Sie mir jetzt mit irgendwelchen ihrer postmodernen Lieblingsdenker basale Logik ausschiessen wollen, dann ist leider Ende der Debatte. Unser kleinster gemeinsamer Nenner hier ist nicht Luhmann, sondern fundamentale Logik und gesunder Menschenverstand.
ad 1.: Ich habe lediglich in diesem Kommentarstrang (noch) kein Wort über meinen Standpunkt in Sachen Sicherheit des Gewussten verloren (im Grunde hier auch wieder hohle Worte, denn 'Wissen' ist sicher, sonst nennt man es Meinung. Lesen Sie doch einfach mal Platon statt Luhmann). Ich wollte Sie nur darauf hinweisen, dass das, was Sie mir unterstellen (die Sicherheit des Gewussten zu behaupten) sich nicht mit der Textlage hier deckt. Das enthebt Sie jedoch nicht der Anforderung sattelfester Argumentation, wenn Sie sich so weit aus dem Fenster lehnen.
ad 3.: Der Terminus 'Antirealismus' ist hier nicht verwendet im Sinne von 'es ist unrealistisch, zum Mond zu fliegen'. Ich verwende ihn als Fachausdruck für Ihre Behauptung, es könne keine Theorien geben, die die Wirklichkeit abbilden. Und wenn Sie diese Behauptung als wahr verteidigen wollen, müssen Sie mir ein Wahrheitskriterium oder mindestens ein adäquates Substitut dafür bieten. Einfach nur zu sagen "alles Gerede kann auch anders gesagt werden" ist – sit venia verbo – billig, nicht zur Sache und intellektuell irgendwie auch reichlich langweilig. Wenn Sie keine Ansprüche auf Richtigkeit Ihrer Thesen erheben, können Sie wegen mir auch jeden Quatsch behaupten. Ich lese ihn halt dann einfach nicht mehr.

19.02.2008 / 18:43

Kommentar #14 von Aleks:

Ich bin uebrigens enttaeuscht. Ich bitte Herrn Sander hoeflich um eine Erklaerung seiner "Worte", und alles, was er "antwortet", sind drei "Fragen".

19.02.2008 / 18:46

Kommentar #15 von R.K.S.:

Wer Luhmann als postmodern einschätzt hat aus meiner Sicht keine Ahnung; was soll ich also weiter mit ihm reden?
Ich sehe dies auch daran, dass Sie Luhmann zwischen Ihre Pole "fundamentale Logik" und den "gesunden Menschenverstand" setzen. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich muss lachen: Wir haben nämlich offensichtlich gar keinen gemeinsamen kleinsten Nenner: Schnittmenge NULL. Ende der Debatte.

19.02.2008 / 19:18

Kommentar #16 von Rudi-K-Sander-verabschiedet-sich-aus-der-Debatte-Zähler:

Ping!        

19.02.2008 / 19:42

Kommentar #17 von Ruben:

Mit 'postmodern' bezog ich mich nicht explizit auf Luhmann in jenem Satz, sondern benutzte den Ausdruck in sehr unspezifischem Sinne, um Ihre Ablehnung jedwedes Wahrheitsanspruchs in den Wissenschaften zu charakterisieren.
Sie wollen mir einfach nicht antworten. Sie sind ein guter Selbstdarsteller, wenn es darum geht, ihre grosse Belesenheit anzupreisen, aber wehe, Ihnen kommt mal jemand mit etwas renitenteren Fragen quer.
Auf Wiederhören.

19.02.2008 / 19:43

Kommentar #18 von Dingens:

Herr Sander freut sich so sehr, dass mal endlich wieder jemand mit ihm zankt. Nett und fürsorglich finde ich das von Aleks und Ruben.

19.02.2008 / 20:12

Kommentar #19 von Ruben:

Eigentlich wollte ich Herrn Sander auch nur sagen, dass ich jetzt nicht lesen will "Aber Luhmann hat gesagt, dass..." und "Kunz hat gesagt, dass...", sondern dass ich eine ganz einfache Antwort und ein ganz einfaches, hausgemachtes Argument haben wollte ohne den ganzen Berg an Literatur, mit dem er sich im Laufe seines Lebens den Kopf zugestopft hat. Sonst verstehe ich ihn nämlich nicht.

19.02.2008 / 20:20

Kommentar #20 von Aleks:

Jetzt bitte nicht beleidigt sein, Herr Sander, jedenfalls nicht laenger als, sagen wir, ein paar Tage. Ich wuensche mir seit langem von Ihnen mal ein paar eigene Gedankengaenge, "was ich mir selbst so zusammenreime", wie Sie oben sagen, wenn's geht auch mal in direktem Bezug auf den Vorredner. Aber alles, was kommt, ist ein Gemenge aus Zitaten. Gibt es denn ausser dem, was andere vor Ihnen gedacht haben, noch etwas anderes in Ihrem Kopf? Bitte nicht beleidigend verstehen, sondern als Forschungsauftrag, es interessiert mich wirklich.

19.02.2008 / 20:20

Kommentar #21 von R.K.S.:

Ihr Lieben, ach so um mich Besorgten: Was mir wirklich wichtig ist, interessiert in dieser konformistischen Welt keine Sau. Man hat mich eben auf Leistung getrimmt, ich bin ein wenig gefolgt, sonst hätte ich womöglich heute noch nicht einmal Hartz IV. Soviel zu meiner durchschnittlichen beruflichen Vergangenheit.
Ich bin zum Beispiel der Auffassung, dass es noch nie auf der Welt Sozialismus gab: Jedem nach seinen Fähigkeiten und so, Chancen für Armeleutekinder, alle Schulen besuchen zu können, die ihrem Intelligenzquotienten entsprechen, ich bin ohne die üblichen Verbandsmätzchen für die reale Durchsetzung des Grundsatzes Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, für die ehrliche Gleichberechtigung der Frauen, für offene Einkommens- und Steuerlisten, für eine solide, staatlich gesicherte aber Bankferne finanzielle Absicherung des Studiums bei Klärung der individuell gestalteten Armortisation der aufgelaufenen Schulden, für die Anerkennung und gesellschaftliche Bewunderung funktionierender Patchworkfamilien, für eine ausreichende Personalausstattung in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern, Gerichten, für den Versuch, nicht weisungsgebundene, wenn es irgend geht tatsächlich unabhängige Staatsanwälte in allen Rechtsgebieten zu installieren, ich bin dafür, dass man die Menschen in allen Ländern nach ihrer jeweiligen Facon selig werden lässt, ich bin für die harte Abschöpfung der Grossen Einkünfte und Vermögen, vererben sollte man gar nichts mehr dürfen: wer beim Sterben etwas zurücklässt, dessen Ramsch, wieviel es auch sei, fällt dem Staat zu zur Unterstützung der Bedürftigen, die Erben sollen zusehen, wo sie ihr Zeug zusammenbekommen ...
Ich höre hier mal auf, denn es gellt mir schon in den Ohren: Der Kerl ist ein Kommunist, keineswegs ihr Lieben, ich bin 1951 mit zwei Hosen im Koffer aus Ostberlin abgehauen, weil ich nie wieder Hymnen singen und in der Farbe vorgeschriebene Hemden tragen wollte, ...
Ich finde die soziale Welt, wie sie ist, gelinde gesagt beschissen, aber dennoch möchte ich nicht Weltverbesserer oder Naivling geschimpft werden. Man kann mit mir über alles reden, es sollte aber ordentlich formuliert sein, mich zu nichts zwingen, so wie ich von niemanden erwarte, dass er mir zustimmt. Ich sage nur gerne was ich denke und fühle, und – wenn es mir angebracht erscheint – auch was ich weiss.
Ich fand die Riesenmaschine drei Wochen lang lustig, bis ich begriff, wie sie tickt und wie sie mit Aussenseitern umspringt. Dann war ich von der Idee der Lesemaschine begeistert, weil ich dachte, jetzt ist der Riesenmaschinengedanke erst so richtig zu sich selber gekommen. Aber die Lesemaschine gefällt mir auch nicht mehr so richtig. Weil man hier nicht ungeschützt vor sich hin denken kann. ...
Ich bin müde, und Ihr langweilt mich ...

19.02.2008 / 23:11

Kommentar #22 von Ruben:

Aber ich zwinge Sie doch zu nichts, Herr Sander. Wegen mir können wir auch einfach eine Partie Scrabble spielen. Aber Sie offerieren einem hier manchmal eben einfach irgendwelche apodiktischen Behauptungen ("Die Physik weiss nix"), was nicht danach klingt, als wollten sie nur mal vor sich hindenken. So etwas reizt natürlich dazu, in einen Disput einzusteigen und ich gebe gerne zu, dass ich da ein wenig ruppig bin. Sie müssen wissen, das liegt an meiner Erziehung, ich bin im Studium auf klassische Disputation getrimmt worden: These, Gegenthese, Angriff, Verteidigung, Angriff, etc. Philosophie betreiben war nie nur Bücherlesen, sondern vorallem der gelebte Disput (wie schon im alten Athen und in der Scholastik), der im Idealfall mit harten Bandagen ausgetragen wird. Das steckt einfach in mir, nehmen Sie es nicht persönlich.

20.02.2008 / 00:20

Kommentar #23 von R.K.S.:

Also gut: Frieden durch geregeltes Kämpfen. Bloss keine Spiele (scrabble!), Spiele sind nun wirklich Ausflüchte, sind ja keine Denk-Taten. Dann sage ich schon lieber etwas offensichtlich Falsches – obgleich mich davor graust – und lasse mich von einem, der es gerade besser kann, zusammenstauchen. Dann war man wenigstens dabei.
Also gegen Mathematik habe ich gar nichts (obgleich ich nicht viel davon verstehe), denn Mathematik, trotz ihrer Aporien, scheint mir doch das Beste, was die zum Denken von der Natur freigesetzten armen Menschen in ihrer Not entdeckt und, ergänzend, sich ausgedacht haben.
Die Physik gibt mit ihrer ursupierten Mathematik an: Sie peppen ihr Er-Zählen mit gepflegtem Zählen auf und halten sich für die Grössten, nur weil so vieles klappt, was sie machen. Dabei wissen sie, wie die Gehirnforscher, gar nichts: Sie wissen nicht was Kraft ist, Energie, Vakuum ..., das Beste, was sie erfunden hatten, war vielleicht noch der Äther.
Da sind mir die Biologen schon lieber, weil die sich tapfer noch mehr Probleme aufladen als die Physiker, denn sie haben ja auch die Physik mit der Mathematik am Hals, und sie müssen zu den undurchschaubaren Strukturen nun auch noch die Prozesse beschreiben, dazu auch noch Bilder vorlegen von so hochkomplexen Energiekonfigurationen wie es zum Beispiel ein Virus ist oder eben die DNA. Ihre Geschichten decken sich nun schon verdammt gut mit dem, was man so zu sehen bekommen kann. Am meisten bewundere ich an ihnen, dass sie sich nicht fürchten vor solchen Dämonen wie Lebendiges oder Evolution.
Na und dann kommen für mich die wahren Könner, die Beschreiber des wahrhaft Unbeschreibbaren, die Soziologen. Müssen das nicht echte Irre sein, weil sie sich darauf einlassen, so etwas Verrücktes, wie es die Gesellschaft ist, in plausible Sätze aus vollkommen unzureichenden Worten zu zwängen? Gibt es etwas Undurchschaubareres als eine Gesellschaft aus Kommunikation, die dazu noch verlangt, die Menschen, ohne die es denn doch nicht geht, weil sie die gesamte Kommunikation irritieren müssen, diese psychischen Systeme dann auch noch frech in die Umwelt der Gesellschaft zu verbannen? Man stelle sich doch einmal wirklich mutig den vorauszusetzenden Komplexitätsgrad einer solchen Gesellschaft vor, Physik ist doch ein Klacks dagegen: Energie, Quarks, Atome, Moleküle, RNA und DNA, Einzeller, Vielzeller mit Körpern aus Organen, obendrauf das Gehirn, hieraus das Bewusstsein mit Vorstellungen und Wahrnehmungen, das Ganze als psychisches System, aber in der Umwelt der Gesellschaft!, dann dazu das koppelnde Medium Sprache mit seiner schier unendlichen Vielfalt an Beschreibungsmöglichkeiten, ferner Information (aus Sprache) und Mitteilung (als Handlung), hieraus das immer völlig idiosynkratische "Verstehen", (ein mieser Platzhalter an Stelle eines wirklichen Begriffes), und das Verstehen dann im unendlichen Raum der Kontingenz, ...
Und bei solchen Verhältnissen soll es sich lohnen, etwas mit Herzblut zu verteidigen? Wir sind eben alle nur Geschichtenerzähler.
Was mich wirklich ärgert ist, dass es wohl doch die Physiker sind und ihre Knechte, die Techniker, die den regierenden Schurken die Waffen zur Verfügung stellen.
Habe ich mich nun einmal einigermassen verständlich ausgedrückt?

20.02.2008 / 02:38

Kommentar #24 von Dingens:

Herr Sander blüht ja richtig auf.

20.02.2008 / 06:40

Kommentar #25 von Ruben:

Ja, jetzt verstehe ich ihn auch schon viel besser.

20.02.2008 / 15:14

Kommentar #26 von Dingens:

Ich verstehe ihn nicht besser. Ich verstehe ihn nie. Das liegt vielleicht daran, dass ich nach dem dritten Satz schon immer nicht mehr weiterlesen mag. Ihr seid wirklich sehr geduldig mit ihm.

20.02.2008 / 20:07

Kommentar #27 von R.K.S.:

Gesetz der Kognition: Verstehen oder Nichtverstehen muss man immer bei sich selber suchen.

21.02.2008 / 13:36

Kommentar #28 von Dingens:

Ich suche ja bei mir. Ich habe ja auch schon in #26 hingeschrieben, woran es wohl liegt.

21.02.2008 / 23:23

Kommentar #29 von R.K.S.:

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich möchte nicht der Pausenclown der Lesemaschine sein, dazu sind mir alle realen Themen viel zu ernst, auch die lustigen.

22.02.2008 / 00:43

Kommentar #30 von dem Pausenclown der Lesemaschine:

Dieser Posten ist ja auch längst an mich vergeben.

22.02.2008 / 11:19