12.02.2008 / 01:13 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Change! (686-734)


Pillars of Creation
Credit: NASA, ESA, STScI, J. Hester and P. Scowen (Arizona State University)
Big Bang! Feuer! Mordio! Endlich Schluss mit dem kleingeistigen Quantenzeug. Das Universum verhält sich zum Atom so wie Dostojewski zu Fontane, oder so wie Stanley Kubrick zu, sagen wir, einem total unbedeutenden Regisseur. Das Universum ist einfach grösser, und grösser heisst immer auch besser. Es gibt folglich nichts Besseres auf der Welt als das Universum. Irgendjemand muss es mal hinschreiben, und gleich wird sich der Stil auch wieder etwas beruhigen. Es war einfach zu trostlos im Heisenbergsumpf.

Das Universum enthält soviel interessante Dinge, ich könnte Stunden, ich meine, man kriegt R Cor Bor Sterne, Braune Zwerge UND supermassive Schwarze Löcher, und das alles in einer einzigen Galaxie, aber fangen wir von vorne an. Am Anfang war der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, oft verwechselt mit anderen Hauptsätzen von grossen Dichtern, aber ungleich bedeutungsvoller. Heat flows from a hotter to a colder body, oder: Die Entropie, so eine Art Mass für das Bestreben des Universums, alles zerfallen zu lassen, wird immer grösser, bis alles schön gleichmässig verteilt ist. Oder noch anschaulicher: Selten wird man unter Erfrierungen leiden, wenn man die Hand auf die Herdplatte legt. Noch viel seltener jedoch entsteht ein Universum, unseres zum Beispiel nur in einem von 10 hoch 10 hoch 123 Fällen. Das ist eine 1 mit 10 hoch 123 Nullen, eine, ach, was soll man sagen, bestürzend grosse Zahl. Wenn die Entropie immer grösser wird, dann muss sie zum Zeitpunkt Null so unglaublich klein gewesen sein, dass es schon fast nicht mehr möglich ist.

Wer jetzt gleich wieder "Gott" ruft, möge bitte stillhalten, das ist total verfrüht, so wie es eigentlich immer verfrüht ist, bei statistischer Thermodynamik "Gott" zu rufen. Penrose nennt IHN konsistent Creator, klingt ja auch ganz anders, wobei man ihm glauben muss, dass er damit nur eine Fehlstelle meint, und irgendwie muss man sie ja nennen. "Und dann entstand durch etwas, wofür wir zu doof sind, es zu verstehen, die Welt." Richtig, aber auch enorm umständlich.

Aber ich soll ja das Universum erklären und, es mag überraschend kommen, das geht in einem einzigen Satz. Die Geschichte des Universums ist nichts anderes als ein gar nicht mal so ewiger Kampf zwischen Schwerkraft und Thermodynamik. Fertig. Die Sonne zum Beispiel existiert nur deswegen, weil sie zwar von der Schwerkraft zusammgehalten, vom thermischen Brodeln im Innern aber vor dem Kollaps bewahrt wird. Hört sie irgendwann mit Brodeln auf, so in vier, fünf Milliarden Jahren, ist es vorbei mit ihr und sie kollabiert zum Weissen Zwerg. Die Schwerkraft liebt Weisse Zwerge sehr, unglaublich dichte Geräte, wo man nicht mehr so viel arbeiten muss, so als Schwerkraft. Noch besser sind nur Neutronensterne und Schwarze Löcher, in denen sich später der ganze Dreck sammeln wird. Das Ende des Universums: Ein loses Ensemble aus Schwarzen Löchern, vom zweiten Hauptsatz schön über das ganze Land verteilt. Aber noch haben wir Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Yes we can!

Anderes Medium: Roger Penrose hält einen Vortrag.

734 von 1049 Seiten

Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (1) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von Michael:

Und puff hat der "creator" eine konsistente Erklärung zunichte gemacht. Denn entweder hat dann die Srasse zur Wirklichkeit eine unübewindliche Lücke und das Ziel entrückt in unerreichbare Ferne oder der gesamte Weg dorthin besteht nur aus einem einzigen grossen Schlagloch über welches uns aber der 'Eine' eben mal flux hinweg bringt.
Grössenordnungsmässig skaliere ich in Ihrem Vergleich den guten Fontane dann doch eher auf Erdniveau. Das aber sicher durch die Brille der Heimatliebe betrachtet.
Passiert eigentlich im Rest der (10 hoch 10 hoch 123)-1 Fälle einfach nur nichts? Und wieviele Menschen haben sich bis zu dieser Stelle im Buch durchgearbeitet?
Danke Herr Scholz für die vielen schmackhaften Häppchen der Astrophysik!

17.02.2008 / 00:43