23.11.2007 / 10:29 / Volker Jahr liest: Reise um die Welt (Georg Forster)

In 1111 Tagen um die Welt (0-0)

Vor wenigen Wochen hat hier in Kassel eine riesige Thalia-Buchhandlung aufgemacht. Bettina, meine Buchhändlerinnenfreundin aus Berlin (an dieser Stelle jetzt eine flashanimierte Werbeeinblendung für den Kollektivbuchladen Anagramm am Mehringdamm hindenken) sagt, dass Thalia das Böse sei, zwar seien auch andere wie Hugendubel oder Habel das Böse, aber Thalia noch mehr, weil es den Verlagsvertretern als grösster der Grossabnehmer die miesesten Bedingungen diktieren könne.

Ich kann das nicht direkt bestätigen, hatte aber, vermittelt über meine Tochter, auch schon unter Thalia zu leiden: Vor ein paar Monaten bekam diese anlässlich ihres Kindergeburtstags einen Buchgutschein über 7 € von dem kleinen Buchladen hier im Viertel geschenkt, und wir kamen gar nicht dazu, ihn einzulösen, weil die Besitzerin des Ladens kurze Zeit später dicht machte, abgeworben von eben jenem neuen Thalia. Im Grunde also so, wie "E-Mail für Dich" mit Tom Hanks und Meg Ryan weiterginge, wenn nach dem Happyend nicht Schluss wäre.

Aber das Böse als Faszinosum, ein bekanntes Motiv. Vorletzten Samstag war ich also doch mal schauen: Proppenvoll, Angebot riesig, die einzelnen Themenecken ansprechend gestaltet, in der englischen Abteilung holzgetäfelte Wände und edle Ledersessel, ein eigenes Café, in einer anderen Ecke mixten zwei Bewestete Gratiscocktails. Bei mir kann man, wenn ich in der Stimmung bin, zuverlässig mit prunkvollen Ausstattungen punkten, und so fiel mir nach kurzer Zeit ein grossformatiger, in grünem Leinen gebundener Band auf, der prächtige Zeichnungen von Vögeln und Pflanzen enthielt. Es handelte sich um "Reise um die Welt. Illustriert von eigener Hand" vor 230 Jahren von Georg Forster.

Den musste ich haben. Allerdings sollte er 79 € kosten. Da ich am Jahresanfang gezwungenermassen in die ungünstige Steuerklasse V gewechselt bin, würde ein Spontankauf in dieser schwindelerregenden Höhe mein verfügbares Einkommen in den dreistelligen Bereich abstürzen lassen – keine Option angesichts des Kostenapparates, den ich mir über die Jahre aufgebaut habe. Es mussten also andere Wege ersonnen werden.


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