08.07.2011 / 12:07 / Viele lesen: Klagenfurttexte 2011

Der unerträgliche Buzz der Krise


Schatzsucher
Die Voraussetzungen waren schlecht: Maximilian Steinbeis' Roman Pascolini hat mir nicht gefallen und ich nehme es immer noch übel, wenn jemand der Blog sagt (Steinbeis schreibt nach eigenen Angaben "den Verfassungsblog"). Es kann doch nicht so schwer sein, Blog von Weblog abzuleiten und zu verstehen, dass es das Log, also auch das Blog heisst.

Die technischen Voraussetzungen der Lesung selbst verbesserten die schlechte Ausgangslage nicht: Ton und Bild des Bewerbsvortrags sind im Stream verschoben, so dass ich mich wie in einem Lippenleselernkurs daran aufhänge, welche Mundbewegung wohl welches Wort ist. Jedes Mal, wenn die Kamera frontal auf den Autor gerichtet ist, krisselt das Bild wegen H.P. Mayas diesjähriger Dekoration, der Lesetisch aus aufeinander gestapelten Papierbögen und die Wiederholung des Motivs im Hintergrund haben so feine Linien, dass sie eine optische Täuschung ergeben und anfangen sich zu bewegen. Bevor man sich versieht, schwirrt alles durcheinander, die Bilder, die Mundbewegungen, die versetzte Tonspur und ich denke mir: "Was für ein Abenteuer, ich glaube sogar schon, es geht hier um einen vergrabenen Schatz."

Aus dem Krisselstreamabenteuer dringen lauter Imperative zu mir vor: "Geniessen Sie", "Denken Sie", "Lassen Sie" und vor allem immer wieder: "Hören Sie." Da will jemand was von mir, das ist trotz aller Umstände nicht zu überhören. Hören Sie, Hören Sie, Hören Sie, ich höre ja schon, aber was höre ich da? "Sie haben ein Bad genommen und sich tüchtig ausgeschlafen." Übersetzung aus dem Englischen bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur? Auf Englisch nimmt man ein Bad, auf Deutsch badet man einfach. "Sie haben gebadet", müsste es heissen, nichts mit Nehmen. Das "tüchtig" in diesem Satz ist so ein typisches Störwort, wie ich es schon aus Pascolini kenne. Vielleicht soll das alles aber auch nur Ausdruck des Goldanstiftercharakters sein, in dem Fall dürfte der dann sogar ungestraft sagen, dass der Bankmensch "aus seinen traurigen braunen Augen blinzelt".

Aber ich bin ungerecht, der Text ist am Ende ganz gut, weil zeitkritisch auf eine doppelbödige Art und Weise. Er hat den grossen Pluspunkt, ein abgeschlossener Text zu sein (keine vorherige Erklärung vonnöten wie gleich beim Eingangsromanauszug von Gunther Geltinger). Ich stimme Daniela Strigl in ihrem Lob zu, Persiflage auf Ratgeber-Literatur, Satire, sehe wie Meike Fessmann den Mephisto-Aspekt, finde aber, dass Burkhard Spinnen seinen Kandidaten mit dem Urteil "grandios" zu sehr hochjazzt. AC Sulzer bemängelt, dass es keine Personen gibt, er wisse nicht, wer da spricht. Ich würde sagen: der kollektive Buzz der Krise. Für mich war das eine gute Idee, die auch gut zum Bewerb passt und einigermassen gut entwickelt wird, wenn auch mit einigen sprachlichen Mängeln.

Anzahl der Parameter, die zum Vergraben eines Schatzes nötig sind: 4 (Markierung, Zeichen, Code und Schlüssel)
Anzahl der Biber im Text: 0
Anzahl der Rucksäcke: 1

Monika Scheele Knight / Dauerhafter Link


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