11.03.2008 / 10:53 / Mehrere lesen: Verschiedenes (von manchen)

Sternstunden der Bedeutungslosigkeit – Sex, Musik und Prügeleien (32-60)


Entwurf Kollhoff SS06, ETH Zürich: Schöön, aber nicht sooo schöön. Quelle
Mein Freund Friedrich hat, bevor er sich wieder auf den elterlichen Hof zurückzog und eine Pferdepension eröffnete, erfolgreich Architektur in Mainz studiert. Anschaulich wusste er von den Projektpräsentationen beim japanischen Professor zu berichten, der zwar eine Kapazität auf seinem Gebiet darstellte, aber des Deutschen nur rudimentär mächtig war: Bei diesen Präsentationen gab es nämlich als höchste Auszeichnung ein "Schöön" zu ernten. Hatte der Mentor allerdings kleine Vorbehalte, setzte er ein ebenso nettes Lächeln wie beim "Schöön" auf, kommentierte den Entwurf jedoch mit einem "Schöön, aber nicht sooo schöön".

Diese Anekdote kam mir in den Sinn, als ich am Samstag nach gut drei Jahren "Fleisch ist mein Gemüse" von Heinz Strunk zum zweiten Mal am Stück weglas, weil ich das Buch verschenken wollte und durch den Kauf inspiriert wurde, auch in mein Exemplar mal wieder reinzuschauen. Stellt man Strunk direkt neben Schamoni, gute Kumpel übrigens die beiden, ist Strunk "Schöön", Schamoni "Schöön, aber nicht sooo schöön". Ansonsten sind die Bücher sich sehr ähnlich, zwei Innenansichten aus der "Warteschleife des Lebens" (Schamoni), ironische Brechung der Ereignisse aus der retrospektiven Perspektive desjenigen, der es geschafft hat, diesen Welten gerade noch so zu entkommen, hochkomische Momente, jedoch warten die nur mit Psychopharmaka zu behandelnden Depressionen schon hinter der nächsten Strassenecke.

Auch Abschnitt Zwei der "Sternstunden" ist schnell zusammengefasst, was aber nicht verwundert, da zentraler Inhalt des Buches ja das Abhängen des Protagonisten ist: Michael Sonntag liest sehr viele Bücher aus der Bibliothek, schaut sehr viele Filme aus der Videothek, führt sehr viele Listen über sehr viele Dinge. Sein Mitbewohner Bruno bringt eines Tages eine Freundin mit, die ebenfalls einzieht. Zumindest einmal hat die Masche trotz Brunos (der andere: Klang) Bedenken also doch gezogen (Selbstverständlich ist das mit den 10% Quatsch, korrekt sind vielmehr 7%, wie ich seit der Sieben von Steffen aus meiner Klasse weiss). Um die unbekannte Schöne von gegenüber kennenzulernen, hängt er einen Zettel ins Fenster, doch der Versuch der Kommunikationsaufnahme scheitert zunächst. Am Ende wieder Alkohol, Absturz, Erwachen im fremden Bett und ein Nachhauseweg in Frauenkleidern, da die eigenen Klamotten verschwunden sind.

Schöön die folgende Selbstreflexion, ihre unmittelbare Dekonstruktion und eine sich trotzig anschliessende zusätzliche halbe Drehung an der Ironieschraube, Postpostirgendwas 2007:

"Weit draussen im All, in einem Saturnring um den Planeten der Normalen herum, schweben wir Überflüssigen kreiselnd in der Kälte wie einsame, traurige Satelliten aus Fleisch, haben nichts zu tun, kriegen kaum Licht ab und treffen auf niemand anderen als auf uns. Pathetische Selbstmitleidsfantasien. Aber ist doch so."


Kommentar #1 von Stefan:

Ist Forsters "Reise um die Welt" eigentlich ein völlig unverdauliches Konvolut, das sich nicht Lesen lässt?
Ich frage nur, weil ich den Eindruck hatte, dass seit Weihnachten zumindest die praktischen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (Verfügbarkeit der Lektüre etc..), das "Lesewerk" fortzusetzen, oder eigentlich erst richtig aufzunehmen, und ich langsam zweifele, ob ich Geld in dieses "hochpreisige" Werk investieren soll, was ich eigentlich einmal vorhatte.

13.03.2008 / 00:46

Kommentar #2 von Volker:

Doch, die Investition lohnt sich schon, so der Eindruck nach dem ersten Querlesen, insbesondere mit soziologischer oder ethnologischer Brille kommen Forsters Beschreibungen erstaunlich modern rüber. Aber es lässt sich wegen der Schwere halt wirklich nur im Lehnstuhl oder am Lesepult lesen, und dafür fehlt mir momentan die Zeit und Geduld.

13.03.2008 / 08:59

Kommentar #3 von Stefan:

Ah, vielen Dank für die Auskunft! Vielleicht dann ja über Ostern.

14.03.2008 / 20:28