21.01.2008 / 20:32 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Der Einstein-Podolski-Rosen-Sturm (578-608)

Zahlreiche Komplikationen in der Welt entstehen erst dadurch, dass es mehr als ein Teilchen gibt. Eine Vielteilchenwelt wäre an sich noch nicht problematisch, wenn die einzelnen Partikel schön autistisch vor sich hin existieren würden; stattdessen aber bestehen die meisten unter ihnen auf Interaktion und Kommunikation. Wir kommen nun zum bösartigsten Vertreter der Wechselwirkungen zwischen Teilchen: die Quantenverschränkung, von Penrose euphemistisch Quanglement genannt, physikalische Grundlage für so alltägliche Dinge wie Quantencomputer, Teleportation, Quantenkryptographie, Zeitreisen und Anton Zeilinger.


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QUANGLEMENT. Ein hinkendes Beispiel, damit man es auch versteht. Frau X, ein eher unscheinbares Wesen, besitzt zwei kleine Katzen, Geschwister gar, beide agil und freundlich in ihrer Natur und vom Äusseren nicht zu unterscheiden. Des Nachts liegen beide Katzen in ihren Schlafkisten, von aussen ist nicht erkennbar, ob sie leben oder tot sind. Frau X verkauft die eine an Physiker A, die andere an Zyniker B, in gutem Glauben, sie weiss es eben nicht besser. Nun fährt B mit seinem schlafenden Katzenkauf nach Kirgisien, während A sich nach Hause in sein Bachelor-Appartement begibt. Wohlig räkelt sich seine Katze auf der braunen Ledercouch, zufrieden mit dem neuen sozialen Umfeld. B inzwischen jedoch holt, kaum in Kirgisien angekommen, einen Vorschlaghammer und schlägt ihn seiner Katze aufs Hirn. Zumindest bei dieser Katze steht jetzt fest, dass sie tot ist. Soweit der normale Lauf der Welt. Jetzt jedoch geschähe das Aussergewöhnliche, wenn es sich nicht um Katzen, sondern um Photonen handeln würde: In dem Moment, im dem die kirgisische Katze stirbt, entschläft unvermittelt auch die im Hause von Physiker A.

An obengenannter Geschichte über verschränkte Teilchen, dem Einstein-Podolski-Rosen-Paradoxon, fallen mindestens zwei Seltsamkeiten auf. Zum einen wäre da die Frage zu untersuchen, warum das Ganze nie mit makroskopischen Teilchen wie Katzen abläuft, sondern eben nur mit Quanten. Wäre es anders, niemand könnte seines Lebens mehr sicher sein, ständig würden sich Dinge verändern, in Abhängigkeit von dem, was irgendeiner am anderen Ende der Galaxie gerade unternimmt. Verschränkungen werden jedoch aufgehoben, wenn man am Teilchen rumspielt, zum Beispiel mit einem Vorschlaghammer oder einer Fliegenklatsche, und so, man erinnert sich, die Wellenfunktion zum Kollabieren kommt. Würde niemand je Quanten manipulieren, unser gesamtes Universum wäre verschränkt und man könnte nicht mehr aus dem Haus gehen, ohne im Andromedanebel Weltkriege in Gang zu bringen. So gesehen eine gute Sache, dass unsere Teilchenbeschleuniger Tag und Nacht laufen, das sagen sowohl Roger Penrose als auch ich.


The world according to EPR (Foto, Lizenz)
Die andere Seltsamkeit: Wenn am einen Ende der Welt ein Teilchen verändert wird, woher erfährt das Zwillingsteilchen am anderen Ende davon? Und zwar unabhängig von der dazwischenliegenden Entfernung, also sofort, ohne Verzögerung? Es gibt nur einen Weg von einem Teilchen zum anderen, aber der führt leider über die Vergangenheit, als beide noch am selben Ort waren. Schicken Photonen ihre Post also erst ins Mittelalter, damit sie pünktlich sofort ankommt? Penrose lässt keinen Zweifel daran, dass er diese Möglichkeit für unplausibel hält. Aber was steht dem im Wege? Irgendwas anderes abgesehen von der Gegenwart braucht man praktisch immer zum Miteinanderreden, und ob man Briefe jetzt in die Zukunft schickt (E+1 Briefpost) oder in die Vergangenheit, wo ist der Unterschied? Vielleicht ist es auch einfach zu teuer.

Die flickr-Galerie zum Buch:
(1) Entwicklung eines Quantenzustands – Schrödingerentwicklung (U) und Kollaps (R) der Wellenfunktion in stetem Wechsel;
(2) Quanglements – Say NO to drugs.

608 von 1049 Seiten

Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (2) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von General Jack D. Ripper:

Das Bruderpaar Einstein-Podolski, worauf folgerichtig Rosen folgen. Weltgeist, du alter Schlawiner. Welch Synthese, weltumarmend in die Ewigkeit weisend.

22.01.2008 / 16:54

Kommentar #2 von Laika:

Kann der Zusammenhang der Rosen mir unweltgeist bitt e erklärt werden? Ich würde gern Briefe in die Vergangenheit schicken, aber dann ist ja meistens schon zu spät.

23.01.2008 / 21:03