02.01.2008 / 17:32 / Bruno Klang liest: Lerche (Dezsö Kosztolányi)

Interessierte Abscheu (90-163)

Die Vajkays können ihre Tochter Lerche nicht verheiraten. Aus Scham ziehen sie sich aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Sie erklären sich ihre Selbstgenügsamkeit wie ein Fuchs die sauren Trauben: das Essen in Restaurants ist schlecht, die Moral zweifelhaft, und schliesslich sind sie ja auch alt. Es hat einen einfachen Grund, warum ihre mittlerweile über dreissigjährige Tochter in die Altjüngferlichkeit rollt: sie ist hässlich.


Rätselbild mit Lerche und zwei Anspielungen
Die Wissenschaft hat über die menschliche Schönheit herausgefunden, dass vor allem zwei Faktoren die Attraktivität erhöhen: Jugend und Durchschnitt (auszuprobieren z.B. hier). Der Effekt beruht darauf, dass Durchschnitte höhere Symmetrien erzeugen, oder kurz knapp: alle zusammen sind wir schön, oder waren es. Mit der Hässlichkeit ist es etwas vertrackter. Man könnte annehmen, dass Hässlichkeit einfach nur fehlende Schönheit ist, womit beide auf einer Skala lägen, oder aber dass sie eine eigene Qualität hat oder ist. Hinzu kommt eine eigenartige Asymmetrie: selbst grosse Schönheit fächert sich auf in die Geschmäcker, grosse Hässlichkeit ist hingegen eindeutig. Dazu passt, was Prof. Hamermesh von der Universität Texas herausfand, als er die Einkommensunterschiede von Hässlichen und Schönen untersuchte : tatsächlich hat grosse Schönheit kaum einen Einfluss auf das Einkommen, die Hässlichen hingegen verdienen signifikant weniger. Er fand auch heraus, dass Investitionen in eigene Schönheit eine beschissene Rendite haben. Da sollte man sich selbst lieber schönsaufen, als sein Geld in die eigenen subprimes zu verpudern.

Apropos Varianz der Geschmäcker: mir ist aufgefallen, dass ich Carla Bruni sehr hässlich finde. Ihr neuer Freund bzw. die andere Hälfte der Welt sieht das nicht. Und ihr Freund geriet vor einiger Zeit in Schwierigkeiten, weil er auf wessen Yacht herumschipperte? Genau, auf dem Boot von Vincent Bolloré, den wir ja schon als Lerchenpapierproduzenten kennenlernten.


Carl Heinrich Stratz' Analyse kleiner Schlampen
Beim Herumsuchen für diesen Artikel stiess ich auf Carl Heinrich Stratz, der um die vorletzte Jahrhundertwende einiges Seltsame über Schönheit herausgefunden hat, unter anderem eine eigenwillige Interpretation der beauté de diable. Nach Stratz ist die Teufelsschönheit mit 17 eine echte Rakete und gibt Anlass zu noch schöneren Hoffnungen (kleines Kreuz). Aber Pustekuchen: der Teufelsbraten schmiert ab und sieht mit 35 ungefähr so aus wie die halbaufgegessenen Pommes Rotweiss, die vor einer Woche in den Hausflur geschmissen wurden. Pfui.

Detail: Grosse Belobigung: sie gebührt Frau Grasdackel, die den Eisenbahnunfall aus dem Netz fischte: wahrscheinlich war es das Zugherunterfallen vom 5.9.1894 in Columbus, Ohio. In diesem Zusammenhang danke ich besonders für den Hinweis auf das Online-Archiv der New York Times, welches Suchanfragen bis 1851 gestattet und sogar Faksimiles ausgibt. Sehr schöne Maschine.


Kommentar #1 von Grönland:

In der Schublade vom Küchentisch liegt eine Erbsenpistole.

03.01.2008 / 02:09

Kommentar #2 von Frau Grasdackel:

Oh, vielen Dank Herr Klang.
Den Hinweis auf das Online-Archiv der New York Times haben wir jedoch Frau Passig zu verdanken, die in ihrem Riesenmaschinebeitrag "Neu: Alte Zeitungen gratis" vom 18.09.07 darüber berichtete. So schliesst sich der Kreis.

03.01.2008 / 03:23