30.12.2007 / 14:19 / Aleks Scholz liest: The Road to Reality (Roger Penrose)

Abrechnung, Teil II (440-470)


Blick aus einem Loch bei 470 Seiten
Foto, Lizenz
Bis vor kurzem habe ich Roger Penrose verehrt. Als ich zum allerersten Mal einen kleinen Vortrag auf einer grossen Fachtagung hielt, September 2000 in Bremen, wurde Penrose gerade mit der Schwarzschild-Medaille ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung, die die deutsche Astronomie so zu bieten hat. Ich sah, wie sich seine feinsinnigen Gesichtszüge über die Ränder von überdimensionierten Biergläsern beugten, ich hörte seine leise, schüchterne Stimme, ich war im Saal, als er einen enigmatischen Vortrag hielt – mit zwei Overhead-Projektoren, in deren Mitte er oszillierte, und in Echtzeit selbstgemalten Folien. Ich ignorierte einen Tag der Konferenz, um stattdessen Steine in die Nordsee zu werfen, las jede Menge Dostojewski. Jemand auf der Strasse bot mir Drogen an; das ist mir zu Hause auf dem Dorf noch nie passiert. Penrose war plötzlich mein Kollege.

Damals habe ich Roger Penrose verehrt, heute ist nur noch Bewunderung übrig. Und es hat mit all diesen elaborierten Zumutungen zu tun, die er meint, in seine tausendseitige Welterklärungsfibel einbauen zu müssen. Dem schlichtesten aller Gemüter schlägt Penrose im Vorwort vor, ab und zu eine Gleichung, einen Absatz oder gar das eine oder andere Kapitel zu überspringen, when they begin to get a mite too turgid. Nun ist es sicher kein Zufall, dass ich durch die Mehrzahl der Klausuren in theoretischer Physik rigoros durchfiel, aber sollte ich wirklich der Bodensatz der Penrose-Leser sein? Ist es Absicht, dass ich das so allmählich glauben muss? Und warum ist es gleich noch mal ein Bestseller? How not to write a popular science book, ein systematischer Anfang:

1. Die Hodge-Dual-Notationsfalle: Es gibt vielleicht nicht bessere oder elegantere, aber doch sicher einfachere Wege als Maxwells Gleichungen mit Hodge duals und Levi-Civita-Symbolen aufzuschreiben; und niemand hat etwas dagegen, mal ein paar Seiten von Bundles und anderen abstrakten Konstrukten verschont zu bleiben. Aber das ist wohl unter seiner Würde. Warum nicht einfach am Anfang vom Kapitel in drei Sätzen zusammenfassen, was am Ende rauskommt?

2. Die Ricci-Curvature-Unverschämtheit: Auf Seite 398 erwischt man Penrose dabei, wie er während der Erklärung irgendeiner Raumzeitdarstellung in Klammern basically Ricci curvature sagt, ein Begriff, der im restlichen Buch nicht mehr erwähnt wird. Ricci curvature, verdammt, ein vollkommen unnötiger Tiefschlag für alle bemitleidenswerten Bewohner von Seite 398. Ricci curvature, ist es wirklich nötig, dergestalt zusätzlich Angst und Schrecken zu verbreiten? In Klammern? Man sticht doch auch nicht aus Spass mit Nadeln in Kaninchen, oder etwa doch? Als ob das ganze Unterfangen Road to Reality nicht schon furchteinflössend genug wäre.

Der letzte Teil von Kapitel 19, um das es hier eigentlich gehen sollte, ist übrigens recht interessant, obwohl er ein paar Semester Kosmologie voraussetzt. Es geht um Gravitationswellen, einen Doppelneutronenstern, ripples in the fabric of spacetime, und das ganze Zeug. Natürlich verstehe ich fast nichts, aber I found this to be an enjoyable and illuminating activity that could hold my attention. (Zitat Penrose, Vorwort, in anderem Zusammenhang)

470 von 1049 Seiten

Aleks Scholz / Dauerhafter Link / Kommentare (1) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von Rudi K. Sander:

Lieber geduldiger Alex Scholz,
bitte nicht aufgeben, halten Sie sich an Thomas Mann, der empfohlen hat, ruhig einmal ganz unbefangen antizipathorisch zu lesen, in der inneren Gewissheit, das zum gelesenen Inhalt passende persönliche Verständnis werde sich zur rechten Zeit schon einstellen.
Wenn dann bei Ihnen der "Groschen" gefallen ist, bekommen wir Subleser vielleicht auch einige Verständnispfennige ab.

30.12.2007 / 19:08