15.11.2007 / 11:02 / Julia Schulte-Ontrop liest: Trivialroman (Hans Joachim Schädlich)

Trivialroman (1-30)

"As monsters, can we demonstrate another order of signification?" (D. Haraway).

Wenn jemand sein Buch "Trivialroman" nennt, umgeht er gleich das Problem, dass zu irgendeinem Zeitpunkt irgendein Unverständiger sich fragen könnte: "Was will mir der Künstler damit sagen?". Denn die Antwort ist implizit: Nichts! Und genau damit weist der Titel schon über sich selbst hinaus. Ich vermute also, dass sich die Satzreihen in diesem Buch hier und dort zu Horizonten krümmen werden, um den Blick auf hinter und zwischen ihnen Liegendes freizugeben. Vielleicht werde ich Sterne am Projektionshimmel sehen, die mir den Weg weisen werden in subtextuelle Welten. Auf den ersten Seiten des Buches werde ich für diese romantische Vorstellung allerdings erstmal abgewatscht. Tiernamen sind es, die mir um die Ohren fliegen. Dogge, Biber und Qualle unterhalten sich in einer Bar über Wanze, Ratte, Kralle, Aal und Natter. Aber während ich noch versuche, aus ihren Gesprächen für mich einen Handlungsfaden zu häkeln, beginnt der Ich-Erzähler, der ebenfalls in der Bar sitzt, mit einer ganz anderen Geschichte. Seiner. Und die beginnt von diesem Moment an zehn Jahre zuvor.

Er berichtet, wie Dogge ihn von seinem Redaktionsschreibtisch bei einer kleinen Zeitung weggeködert hat. "Du lässt eure Redaktion sausen und arbeitest für uns", hatte er gesagt. "Wir haben selbst eine Zeitung. Aber die ist mies" und "Du bringst unsere Zeitung auf Vordermann" und "Geld ist kein Problem. Wir wollen unsere Sache unter die Leute bringen und unsere Sachen an den Mann". Für das Versprechen eines Lebens voller Zucker willigte er ein und verriet seinen Freund und Kollegen Viktor, mit dem er zuvor gegen Dogge gearbeitet hatte. Bevor ich ein paar Seiten später erfahre, dass er seitdem den Decknamen Feder trägt, sitzen wir schon wieder in der Bar. Der Erzählstrang brennt also von zwei Seiten ab wie sonst nur Kerzen, was den Vorteil hat, dass niemand damit erhängt werden kann.

Die Handlung in der Bar erzählt sich entlang der Gespräche, die das dialogische Surrogat aus 1001 Ganovenfilm sind, selbst. Dogge, Biber und Qualle sind die mit spitzem Bleistift sehr genau gezeichneten Karikaturen mafiöser Schergen. Ihr Reden ein satter Remix in Stereotypie. Bisher hat der Titel also noch nicht zuwenig versprochen. Aber ich ahne, dass die parabolischen Momente in diesem Text sich bald schon so anhäufen werden, dass sich die Lesart einer umfänglichen Gesellschaftskritik nahezu aufdrängen wird.

30 von 158 Seiten

Julia Schulte-Ontrop / Dauerhafter Link / Kommentare (1) / Buch kaufen und selber lesen


Kommentar #1 von Homik:

Das Buch scheint ungeheuerlich langweilig zu sein, warum lässt du es nicht liegen?

28.12.2007 / 12:30