03.11.2007 / 19:05 / Kathrin Passig liest: Alles (von allen)

Jochen Schmidt: Gebrauchsanweisung für die Bretagne (7-26)

Da Frau Andrae offenbar noch damit beschäftigt ist, Schmidts wichtigste Körperfunktionen von aussen zu streicheln, und die Lesemaschine ihre Existenz Jochen Schmidt verdankt, ist es sicher nicht unangemessen, wenn ich die Wartezeit mit den ersten 20 Seiten seiner Gebrauchsanweisung für die Bretagne überbrücke.

Erster, wenig überraschender Eindruck: Das Buch handelt gar nicht von der Bretagne! Es handelt von Jochen Schmidt. Da ich in der Bretagne schon mal war und so bald nicht wieder hinfahren werde, Jochen Schmidt aber andauernd begegne, steigert das für mich den Nutzen des Reiseführers. Ausserdem lindert die Lektüre meine Selbstzweifel wegen des neuen Ichsagebloggings, denn Schmidt sagt in einem einzigen Absatz öfter "ich", als es mir voraussichtlich in jahrelanger Lesemaschinenarbeit gelingen wird.

Cape of fear, der Film heisst ja wohl Cape Fear, ein Lektorat war dem Piper Verlag wohl zu teuer, oder aber es wurde so lektoriert, wie Harry Rowohlt es von Übersetzungen beklagt, nämlich ein Fehler raus, zwei neue rein. Da meine Debuggingtechnik im Maschinenraum der Lese- und Riesenmaschine aber exakt so funktioniert, und da man Schmidt immerhin seine Standardfehler aus dem Text zu korrigiert haben scheint, will ich mal nicht so sein.

Verdammt, jetzt wird Französisch gesprochen, und dabei wird mir klar, dass Schmidt, in Brest gelebt habend, sicher Französisch kann und ich nicht. Die Vorstellung, dass Schmidt etwas kann, was ich nicht kann, ist mir unerträglich, gleich morgen werde ich ein französisches Buch lesen müssen, um aufzuholen.

Und jetzt doch noch das Schmidtsche Komma-vor-als: "Hoffentlich habe ich diesmal mehr Glück, als bei meinem ersten Besuch mit dem Auto." Ein Korrektorat war dem Piper Verlag wohl zu teuer, was sind das für Zustände heutzutage, eines Tages wird es den Verlagen ergehen wie heute der Musikindustrie, und dann wird es ihnen leid tun.

"Dann stosse ich auf meine eigene Telefonnummer", behauptet der in einem Brester Telefonbuch blätternde Schmidt, darf man so lügen? Das Telefonbuch von Brest hat nur drei Seiten, und Schmidt hat nach einem Bretonen namens Schmidtoc oder wie man dort halt heisst, gesucht, klar. Seinen eigenen Namen in den Telefonbüchern fremder Städte nachschlagen, das hätte ich jetzt nicht mal Schmidt zugetraut. Aber immerhin steht er im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen tatsächlich in fast jeder Stadt im Telefonbuch.

"Denn dieser Ort ist zwar abweisend und trist, aber die Menschen sind um so herzlicher." Dazu sage ich jetzt nichts, der Satz tut Schmidt sicher auch schon leid. Und vielleicht ist der Ort ja auch wirklich abweisend und trist, die Menschen sind dafür aber um so herzlicher, dafür kann der Autor ja dann nichts, da muss man auch mal den Mut haben, zu den Tatsachen zu stehen. Meine 20 Seiten sind um, mehr werde ich heute nicht über die Menschen, die Architektur, die Landschaft und die Geschichte von Jochen Schmidt erfahren.

Fundort: Ungelesene Bücher, eigene

Prokrastinationsbuch: 0 von 200 Seiten geschrieben.


Kommentar #1 von Frau Grasdackel:

Dank des neuen Ichsagebloggings weiss man jetzt, Herr Dr. Scholz ist ja gar kein Alien! Er hat richtig irdische Gefühle! Ich finde es sympathisch.

04.11.2007 / 03:11

Kommentar #2 von Aleks:

Sie meinen Hass und Mordlust?

04.11.2007 / 13:28

Kommentar #3 von Michael:

Alien? Ist Frau Grasdackel am Ende Nina Hagen? Das wäre in der Tat erschütternd.

04.11.2007 / 13:41

Kommentar #4 von Joachim Bublath:

Ich geh' dann mal.

04.11.2007 / 13:46

Kommentar #5 von irgendwer1:

Das versöhnt mit der Mogelpackung der Erstrezensentin und hieft Jochen Schmidt auf die Weihnachtswunschliste.
Die Lesemaschine traue ich sogar zu, meine Harry- Potter-Ignoranz zu überwinden.

04.11.2007 / 14:32

Kommentar #6 von irgendwem:

Ach: Der Lesesmaschine, – aber ich kann ja keine Grammatik, und schon gar keine Zeichensetzung

04.11.2007 / 14:33

Kommentar #7 von Kathrin:

Und tatsächlich hat sich bereits ein Harry-Potter-Vorleser angekündigt, den wir jetzt nur noch vollends in die Maschine hineinkobern müssen, dann kann es losgehen mit allen sieben Bänden.

04.11.2007 / 19:03

Kommentar #8 von Frau Grasdackel:

Herr Dr. Scholz, jemand, der um sich nicht in Versuchung zu bringen Spinnen zu töten, selbst im zugigen St Andrews die Heizung nicht einschaltet und der die Qualen eines verschmähten Liebesbriefes zu ertragen weiss, ist auch zu Aufbau und Liebe fähig. Also alles bestens. Und Michael, vielleicht bin ich ja selbst ein Alien, aber keine Angst, wenn, dann ein ganz liebes, da würde sogar crazy Nina unerwartet entspannen und Joachim Bublath gerne bleiben.

04.11.2007 / 20:46

Kommentar #9 von Ein stiller Verehrer:

Das wär's: Frau Grasdackel liest den Harry Potter! Mit ihrem Einfühlungsvermögen sollte das dann eine Elias-analoge Kulturgeschichte werden.

07.11.2007 / 16:48

Kommentar #10 von Frau Grasdackel:

Eher so: Frau Grasdackel least den Harry Potter zur Druckverstärkung des zu pressenden Herbstlaubes, welches allerdings erst noch zu sammeln wäre.

08.11.2007 / 18:34

Kommentar #11 von irgendwem:

Was für ein Service. Danke.
Aber wenn ich Prokrastination richtig deute, wird HP 7 erst 2020 besprochen, in einer ergebnisorientierten Welt, bzw. wird der Prozess an sich dann schon wieder so trendig sein und bis 2022 aus Nostalgiegründen prolongiert.
Warum nicht gleich beim letzten Band einsteigen? Und bei aller Verehrung für Frau Grasdackel, dieser Harry Potter sollte unbedingt von einem Mann gelesen werden. Ich schau so gern zu, wie sich Kerle verrenken, um ihre sieben Erstausgaben rechtzufertigen.
Bei Erstleser-Rezensenten wäre der zynische Abstand zum Werk Programm. Ein Harry Potter Leser des siebten Bandes, hingegen, müsste dem Lesemaschine-Besucher erstklassig ein paar Zusammenhänge aus dem Gedächtnis klamüsern; so nebenher eine Quintessenz von HP 1-6 destillieren.
Geduld war noch nie meine Stärke.

09.11.2007 / 13:02